Benedikt Haag, der Chef des Motettenchores. © Ackermann
Johannes X. Schachtner ergänzt die „Dichterliebe“. © Drexel
Im Schauspiel haben wir uns längst daran gewöhnt, dass klassische Texte ein zeitgemäßes Update bekommen oder mit neuem Kontext erweitert werden. Wenn es sich aber um Musik handelt, sind Puristen schnell auf den Barrikaden. Und so wird der eine oder die andere im ersten Moment die Augenbrauen heben, wenn der Münchner Motettenchor bei seinem Konzert am kommenden Samstag Schumanns „Dichterliebe“ in einer Bearbeitung von Johannes X. Schachtner ankündigt.
Die Skepsis, die solch ein Projekt hervorruft, ist auch Schachtner bewusst. Weshalb er gleich zu Beginn des Gesprächs mehrfach den Respekt vor seinem großen Vorgänger betont. „Man geht an so eine Sache nicht heran, weil man etwas verbessern möchte. Das wäre sehr vermessen. Es geht vielmehr darum, einzelne Aspekte neu zu beleuchten.“ Schumanns Zyklus habe sich vor allem deshalb für eine Bearbeitung angeboten, weil das Werk im Vergleich zu Schuberts „Winterreise“ deutlich heterogener angelegt sei.
„Der Reiz war, für die einzelnen Lieder jeweils stimmige Konstellationen und den richtigen Tonfall zu finden, aber dem Publikum gleichzeitig auch Abwechslung zu bieten“, sagt Schachtner. So werden die Kompositionen keineswegs nur aufs mehrstimmige Format erweitert. An anderer Stelle werden Lieder auf reinen Männer- oder Frauenchor verteilt, die miteinander in eine Art Dialog treten oder den Solisten anstelle des Klaviers begleiten. Denn auch die vertraute Gesangslinie des Baritons kommt selbstverständlich immer wieder zu ihrem Recht. Wofür man sich mit Peter Schöne einen versierten Liedinterpreten ins Boot geholt hat.
„Es gibt auch vieles, was im Original stehen geblieben ist, weil es von der Form her einfach perfekt war.“ Vergleiche mit Hans Zender und dessen auskomponierter Interpretation der „Winterreise“ sieht Schachtner daher nur bedingt. Seine Bearbeitung ist weniger frei als bei Zender, der öfters den Notentext verlässt und das Instrumentarium erweitert. Daraus entstand bei Schachtner der Gedanke, das Klavier vierhändig zu gestalten. „Es kommen wenige neue Stimmen dazu, aber bei großem Chor entsteht leicht die Gefahr, dass das Klavier untergeht. Doch mit vier Händen lässt sich das Instrument mehrdimensionaler und auch ein Stück weit orchestraler einsetzen.“
Wie im Kontrast dazu Schachtner pur klingt, kann man beim Konzert in der Matthäuskirche übrigens ebenso hören. Das Programm wird nämlich in gleicher Besetzung mit der Uraufführung von „Vorfrühling“ abgerundet. Das klingt bei Schachtner zwar weniger romantisch, knüpft aber mit Texten von Heine und Droste-Hülshoff dennoch an romantische Traditionen an. „Ich hatte schon eine ganze Weile auf dem Zettel, auch mal Chorlieder zu schreiben. Aber die Texte haben sich tatsächlich erst ergeben, als das Angebot vom Motettenchor kam.“
Überaus stimmig findet diese Kombination auch Chorleiter Benedikt Haag, in dem die Idee zu einer großen „Dichterliebe“ schon länger gärte. „Ich fand es sehr reizvoll, dass man eine Musik, die sehr vom Wort lebt, quasi mit Chor aufregistriert. Johannes hat das sehr klug gemacht, wie er die Texte neu verteilt und manchmal auch um eine neue Ebene ergänzt.“ So wird unter anderem am Schluss, wenn Schumann und Heine die „alten bösen Lieder“ begraben, das „Dies Irae“ der Totenmesse skandiert. Haag: „Das finde ich total spannend, weil es noch mal einen ganz anderen Blick auf die bekannten Texte erlaubt. Und auch, wenn vieles natürlich vergrößert wird, bleiben in seiner Version immer noch sehr viele intime Momente.“
TOBIAS HELL
Konzert
am 13. Juli in der Münchner
Matthäuskirche, 20 Uhr;
www.muenchenticket.de.