Droht nun eine Klage?

von Redaktion

Mit dem Neustart beim Konzerthaus könnte Bayern vertragsbrüchig werden

Minister Markus Blume will eine Spar-Planung. © SIGI JANTZ

Werner Eckart, Eigentümer des Areals. © Oliver Bodmer

Diese Planung ist Geschichte: Das Konzerthaus im Münchner Werksviertel sollte nach den Entwürfen des Büros Cukrowicz/Nachbaur realisiert werden. © Klaus Haag

Zurück auf Los. Neue Planung, vor allem billiger, ohne Extras, wahrscheinlich beschränkt nur noch auf einen großen Saal – das ist der aktuelle Stand beim Münchner Konzerthaus im Werksviertel. Was auch bedeutet: Wann dies alles jemals Realität wird (und ob überhaupt), das vermag keiner zu sagen. Aus einem Milliarden- ein Millionenprojekt machen, dies ist die Losung, die Ministerpräsident Markus Söder und Kunstminister Markus Blume (beide CSU) seit einiger Zeit ausgeben. Und auch wenn der Freistaat damit grundsätzlich zu dem Projekt steht: So recht froh wird keiner damit.

2025 müssten die Bauarbeiten starten

Es spricht einiges dafür, dass dem Freistaat dieser neue Zeitplan auch auf die Füße fallen könnte. Eine Open-EndPlanung, so ist zu hören, sieht nämlich der Vertrag mit dem Grundstückseigentümer gar nicht vor. Mit Pfanni-Erbe Werner Eckart sei demnach vereinbart worden, dass es sogar eine Bauverpflichtung gibt. Zehn Jahre nach Vertragsabschluss müsste mit dem Bau begonnen werden. Das wäre 2025 – und nach derzeitigem Stand nicht zu halten. Ob es sich wirklich um zehn Jahre oder eine „angemessene Frist“ handelt, darüber gibt es allerdings keine eindeutigen Angaben.

Sollte Werner Eckart die Hängepartie mit dem Freistaat zu bunt werden, droht Letzterem eine Klage. Bayern schuldet in dieser juristischen Argumentation die „Leistungserstellung“, also alle jene Prozesse und Maßnahmen, die im Vertrag vereinbart wurden. Die Folge könnte eine „Ersatzvornahme“ sein, mit der der Freistaat nach einem Gerichtsbeschluss zu der Leistung verpflichtet wird. Da aber mit dem Bau des Konzerthauses wohl nicht von heute auf morgen begonnen werden kann, würde dies für den Freistaat bedeuten: Das dürfte teuer werden, empfindlich teuer sogar.

Derzeit zahlt der Freistaat bekanntlich pro Jahr 600 000 Euro Pachtzins an den Eigentümer des Werksviertels. Das ist ein Bruchteil von dem, was Werner Eckart mit dem Filetgrundstück verdienen könnte. Dieser jährliche Betrag läuft momentan ins Leere. Außerdem sind bereits erhebliche Planungskosten angefallen, man spricht von rund 35 Millionen Euro. Dass der Freistaat nun die Notbremse gezogen hat für eine Neuplanung, überrascht daher viele Beteiligte.

Den Pachtvertrag kann der Freistaat alle 44 Jahre kündigen, die ersten 88 Jahre allerdings nicht. Wobei diese Frist gemäß der Vereinbarung erst nach Inbetriebnahme des Konzerthauses beginnt. Damit ist Bayern noch viele, viele Jahrzehnte an den Pakt mit Werner Eckart gebunden. Es sei denn, aber dieser Fall scheint eher unwahrscheinlich, der Freistaat steigt aus, was mit vielen Millionen Euro Ausgleichszahlungen, wenn nicht sogar mit Schadenersatz verbunden wäre.

Wie berichtet wird, gab es im Oktober 2023 eine mehrstündige Präsentation der bisherigen, nun gekippten Planung – nach der Landtagswahl also. Der Vorgang ist interessant bis pikant. In der Präsentation, die laut dieser Schilderung von den Verantwortlichen des Freistaats bestritten wurde, sei nämlich die längst gebilligte Konzerthaus-Version des Bregenzer Architektenbüros Cukrowicz/Nachbaur und des Akustik-Büros Arup (London/Berlin) detailliert vorgestellt worden. Was bedeutet: Eigentlich war alles bis zur letzten Türklinke fertig geplant. Ein Spatenstich hätte demnach jederzeit erfolgen können. Und: Noch im vergangenen Oktober gab es auf Seiten des Freistaats damit den Willen, nach bisheriger Planung zu verfahren. Es sei denn, der Grundstückseigentümer sollte mit der Präsentation getäuscht werden.

Ob Werner Eckart tatsächlich klagt, ist derzeit offen. Wie viele andere dürfte auch der Werksviertel-Eigentümer von der neuen Strategie des Freistaats überrascht worden sein. Außerdem würde sich eine Klage lange hinziehen und das Projekt noch mehr verzögern. Denn in einem sind sich alle Beobachter einig: Eckart will den Konzertsaal. Weniger aus unternehmerischer Sicht, sondern aus kulturpolitischen Erwägungen. Eine Art Krönung seines neuen Werksviertels.

Der Freistaat setzt unterdessen auf das Modell eines Totalunternehmers beziehungsweise Generalunternehmers. Dieser würde die komplette Realisierung des Konzerthauses inklusive der architektonischen Planung übernehmen. Im Ergebnis bekäme Bayern einen schlüsselfertigen Bau. Das Problem nur: Es gibt einen finanziellen Deckel, an den sich dieser Totalunternehmer halten muss. Sollten also die Baukosten weiter in diesem Maße steigen, müsste bei der Architektur abgespeckt werden – oder bei der Akustik. Außen Ikea, innen akzeptabler Klang, auch das könnte dabei als Ergebnis herauskommen. Nichts Halbes und nichts Ganzes und mithin das Gegenteil, was man sich von einem Projekt mit Ausstrahlungswirkung erhofft.

„Wir arbeiten nach dem Prinzip ‚Design to Budget‘. Das bedeutet, wir versehen das Projekt mit einem festen Kostenrahmen“, teilt Kunstminister Blume auf Anfrage mit. „Nur was innerhalb dessen möglich ist, wird umgesetzt. Dank der vertieften Planungen der letzten Jahre wissen wir, was man für einen exzellenten Konzertsaal braucht. Mit einer sogenannten funktionalen Leistungsbeschreibung machen wir genaue Vorgaben, etwa für die Akustik des Saals.“

Blume: Verfahren wird beschleunigt

Klar sei für ihn: Zeit ist Geld. „Das gilt insbesondere für Baumaßnahmen. Die bisherigen Planungsschritte haben uns in die Lage versetzt, die Vergabe des Projekts an einen Totalunternehmer vorzubereiten. Dieses Verfahren beschleunigt nicht nur den Prozess, sondern spart auch noch Kosten. Mein Anspruch: Das Konzerthaus soll Mitte der Dreißigerjahre stehen – gerne auch früher.“ Zu Vertragsdetails wollte Blume keine Stellung beziehen.

Die Reaktionen aus dem Bayerischen Rundfunk mit seinem dortigen Symphonieorchester, dem künftigen Hauptnutzer, klingen jedenfalls nach sehr verhaltener Freude. Schließlich ist jedem klar: Seitdem der 2019 verstorbene Chefdirigent Mariss Jansons erstmals von einem Saal für sein Orchester sprach, sind mittlerweile 21 Jahre vergangen.
MARKUS THIEL

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