Zen-Meister der Gitarre

von Redaktion

Jazz-Legende Bill Frisell spielt mit seinem Trio gleich zweimal in der Münchner Unterfahrt

Seit er ihn das erste Mal live erlebt habe, so Unterfahrt-Chef Michael Stückl in seiner Ansage, habe er davon geträumt, Bill Frisell einmal auf seiner eigenen Bühne zu präsentieren. Weil sich der inzwischen 73-jährige Frisell in den vielen seither vergangenen Jahren längst Legendenstatus als einzigartiger Gitarrenstilist erspielt hat, ist Münchens führender Jazzclub eigentlich viel zu klein, um den Traum wahr werden zu lassen. Pragmatische Lösung: Frisell gab mit seinem Trio gleich zwei Konzerte vor vollem Haus.

Das erste von beiden begannen Frisell und seine langjährigen Mitstreiter, Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Rudy Royston mit einem 65-minütigen Medley, einem so souverän-entspannten wie heiter-verschmitzten stiltranszendierenden Mix. Melodien aus allen amerikanischen Genres wie Folk, Country und Jazz verwebt das Trio zu einem Nonstop-Americana-Streifzug, verbunden durch die Improvisationsfantasie, mit der Frisell die Harmonien und Stimmungen der Songs ausdeutet. Da mischt sich (hierzulande) wenig Bekanntes mit Wiedererkennbarem wie Billy Strayhorns Jazz-Klassiker „Lush Life“. Es folgt noch eine Interpretation des Titelsongs eines frühen James-Bond-Films („Man lebt nur zweimal“), schließlich als Zugabe „We shall overcome“.

Man könnte Frisells Spiel ein gewisses Gleichmaß attestieren, wobei die große Kunst darin liegt, dass aus dieser Unaufgeregtheit nie Gleichförmigkeit oder Langeweile wird. Das liegt auch daran, weil Morgan und Royston die Räume, die dieser Virtuose der Reduktion reichlich lässt, so geschickt füllen. Immer mal wieder grinsen sich Frisell und Royston an, weil der eine den anderen mit einer kleinen melodischen Variation oder einer rhythmischen Petitesse überrascht hat.

Wenn sich jemand einen Traum erfüllt, beschert er manchmal auch anderen einen traumhaften Abend. Das Münchner Publikum die Kunst des Zen-Meisters der Gitarre in so intimem Rahmen erleben zu lassen, war jedenfalls ein Glücksgriff Stückls. Und irgendwie ist es ja auch herzerwärmend, wenn eine scheinbar so aus der Zeit gefallene, weil ganz aufs Wesentliche konzentrierte, an der Oberfläche unspektakuläre, in der Tiefe umso reichere Musik so enthusiastisch bejubelt wird.
REINHOLD UNGER

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