„Brotzeit für offene Ohren“

von Redaktion

Matthias Schriefl kommt mit Six, Alps & Jazz nach München

Hat Spaß am Nonsens: Matthias Schriefl. © Jürgen Bindrim

Es gibt nur ganz wenige Jazzmusiker, die Frank Zappas berühmt-berüchtigte Frage, ob Humor in der Musik etwas zu suchen habe, mit einem so eindeutigen Ja beantworten wie Matthias Schriefl. Der im Allgäu aufgewachsene, in Köln lebende Trompeter zählt an seinem Instrument nicht nur zu den führenden Vertretern der europäischen Szene, sondern er versteht es auch hervorragend, avancierte Musik mit so viel Chuzpe und Spaß am intelligenten Nonsens zu präsentieren, dass in der Regel auch ein Publikum begeistert ist, das dem Jazz eher skeptisch gegenübersteht. Münchner Konzertgänger werden sich vielleicht an Schriefls erzmusikantisch überbordendes Multiorchester oder die charmant-blasphemische Revue „Moving Krippenspielers“ erinnern. Morgen spielt Schriefl in München.

„Meine Band Six, Alps & Jazz habe ich vor über zehn Jahren mit der Prämisse gegründet, das erste Holzbläserensemble der Welt zu sein, das Volksmusik und Jazz verbindet“, erklärt Schriefl. Zugutekommt ihm, dass neben ihm selbst auch die anderen fünf Mitglieder allesamt Multiinstrumentalisten sind. Mehr als 30 Instrumente werden zum Einsatz kommen, neben allen Blechblasinstrumenten und fast der gesamten Saxofon- und Klarinettenfamilie auch seltenere wie die Schwegel oder die Ophikleide. „Die vielen sich eröffnenden Instrumentierungsmöglichkeiten geben mir die Chance, als Komponist und Arrangeur neuartige Klänge zu erschaffen“, freut sich Schriefl.

Für ihn sei die alpine Volksmusik das, was für andere die Jazz-Standards seien: „Ich versuche, bei einem Jodler die Form beizubehalten, so wie andere es mit den Standards machen. Dann lasse ich es fließen. Brasilianische, afrikanische und indische Musik liebe ich auch, genauso wie den Jazz und so fließen immer wieder Elemente verschiedener Musikarten in die Arrangements ein, die allerdings schon stark von unserer westlichen Harmonik geprägt sind.“

Dabei befasse man sich aktuell nicht nur mit alemannischem Volksliedgut, sondern auch mit Werken von Beethoven, die er aus Anlass des Beethoven-Jahres für das Ensemble arrangiert habe: „Wir gehen der Frage nach: Wäre Beethoven ein Jazzer geworden, wenn er damals die Wahl gehabt hätte? Die Art, mit welcher er in seiner enormen Schaffenskraft Ideen frei fließen ließ und mit humorvoller Leichtigkeit Überraschungsmomente in seine Kompositionen einwob, entspricht sehr der Arbeit heutiger Jazzkomponisten. Wir beziehen uns vor allem auf den jugendlich-genialen, überschäumenden Revoluzzer Beethoven, der es liebte, in Klavierimprovisationen davonzuschweben.“ Er gehe dabei auch auf ein weiteres Merkmal der Musik Beethovens ein: die häufige Wiederholung von Motiven, zum Teil ähnlich wie in Loops. „Wir entwickeln dazu Begleitrhythmen, um Beethoven-Fragmente zeitgemäß wieder zum Grooven zu bringen – ähnlich, wie diese damals wahrscheinlich interpretiert wurden. So wie Beethoven das freie Improvisieren und Fantasieren auf dem Instrument liebte, nutzen wir seine Motive als Basis für Improvisationen.“

Und wie sieht Schriefl die Rolle des Humors in der Musik? „Humor spielte in meinem ganzen Leben eine große Rolle. Er ist genauso wichtig wie ausgefallene Taktarten oder interessante Harmonien. Warum sollte etwas so Überlebenswichtiges in meiner Musik fehlen?“ Humor sei nicht zuletzt ein Stilmittel, um Emotionen zu wecken und ein Konzert unvorhersehbarer zu machen, ohne allerdings Abstriche am Niveau zu machen. Er liebe „wagemutige, riskante Musik, in der viel Aufwand steckt, und die trotzdem leicht klingt“. Dabei seien „gutes Zusammenspiel, ein gewisser Improvisationsanteil, in dem auch Platz für Unerwartetes und Interaktion ist, sowie ein gewisser Groove-Anteil“ für ihn die Grundpfeiler. Garniert mit Liebe zur Tradition und durchaus auch einem Anteil von Klischees, solle so ein Gesamterlebnis entstehen. Es ist davon auszugehen, dass Six, Alps & Jazz auch morgen im Schwere Reiter das auftischen, was der österreichische Saxofonist Wolfgang Puschnig so treffend „eine perfekte Brotzeit für offene Ohren und eine musikalische Seele“ genannt hat.
REINHOLD UNGER

Weitere Informationen

unter www.schwerereiter.de.

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