Mit großer Souveränität gestaltete Joss Stone (Archivfoto) ihr Münchner Konzert. © Estela Silva/dpa
Sie war gerade einmal 16 Jahre alt, als sie mit ihrem Debütalbum „The Soul Sessions“ weltweit für Furore sorgte: Namhafte Kollegen verglichen Joss Stone damals mit Legenden wie Aretha Franklin, und viele Kritiker konnten es kaum glauben, dass diese gewaltige, tiefschwarz gefärbte Soul-Stimme einer blutjungen, weißen Britin gehörte. Nun, gut zwei Jahrzehnte später, zeigte die mittlerweile 37-Jährige bei einem begeisternden Konzert in der Isarphilharmonie, dass ihr nach wie vor völlig ungekünstelt klingendes Organ noch an Reife und Souveränität gewonnen hat – und dass der frühe Ruhm ihr offenbar nicht zu Kopf gestiegen ist.
Vom ersten Moment an kann sie mit ihrer erfrischend natürlichen Ausstrahlung punkten, mit einer Mischung aus ansteckender Ausgelassenheit und typisch britischer Selbstironie. Spätestens nach wenigen Minuten schleicht sie sich in die Herzen des Publikums, als sie bei ihrem Sugar-Billy-Cover „Super Duper Love“ barfuß durchs gesamte Parkett streunt, bis in die hintersten Reihen, und dabei diverse Fans erfolgreich zu kleinen Vokal-Duetten einlädt. Passend zu ihrem Goldkehlchen trägt sie ein goldenes Kleid; auf einem riesigen violetten Tuch an der hinteren Bühnenwand prangen Symbole für Frieden, Liebe und Flower-Power. Man spürt, dass das keine aufgesetzte Attitüde ist: Joss Stone verbreitet pure Freude und lebt ihre Mission mit jeder Faser ihres Körpers.
Dabei leistet sie sich den Luxus von echten Bläsern und drei Background-Sängerinnen – und gibt ihnen und ihren Bandmitgliedern ausgiebig Gelegenheit, solistisch zu glänzen. Ihre Hammer-Stimme kommt freilich am besten bei sparsam arrangierten Balladen wie „Spoiled“ zur Geltung. Abgesehen von einem verzichtbaren Ausflug in Disco-Gefilde reiht sich ein musikalischer Höhepunkt an den nächsten: Joss Stone veredelt etwa den Achtzigerjahre-Hit „Teardrops“ von Womack & Womack, bietet eine verblüffend abwechslungsreiche Reggae-Jam-Session zu „Harry’s Symphony“ und stürzt sich bei „Broken Pieces“ in ein ergreifendes Duett mit dem Sympathiebolzen Jake Isaac, der bereits ganz allein an der Gitarre das zu Recht bejubelte Vorprogramm bestritten hatte.
Den Song „Mr. Wankerman“, mit dem sie einem ehemaligen Liebhaber elegant den Mittelfinger zeigt, präsentiert sie in einer eigens fürs Münchner Konzert sanft eingedeutschten Version mit der hübschen Refrainzeile „Mr. Wichserman“. Zur genüsslich zelebrierten Zugabe „Right to be wrong“ verteilt sie schließlich Sonnenblumen im Publikum – und entlässt die Fans mit strahlenden Gesichtern und erwärmten Herzen.
MARCO SCHMIDT