Vom Konzert im kleinen Backstage in die ausverkaufte Musik-Arena auf dem Tollwood – und das in nur acht Monaten! Die Indie-Pop-Band Von Wegen Lisbeth schreibt gerade ihr eigenes Märchen. Als die rund 6000 Fans das erste Mal Lärm machen, sind die fünf Jungs auf der Bühne sprachlos. „Vielleicht sollten wir öfter mit den Kytes zusammenspielen“, sagt Sänger Matthias Rohde und grinst. Die Münchner Kytes hatten als Vorband mit ihrem elektronischen Indie-Rock das Zelt bereits aufgeheizt und viele zum Tanzen animiert.
So richtig brechen die Dämme aber, als Von Wegen Lisbeth die Hit-Single „Meine Kneipe“ anstimmen. Komplett textsicher unterstützen alle im Zelt die Band, die ihrerseits den riesigen Chor feiert. Neben eingängigen und tanzbaren Songs zeichnet sich die Musik der Berliner Gruppe durch pfiffige, gesellschaftskritische Texte aus. Klug platziert ist ein gegen die AfD gerichteter Aufkleber auf dem Keyboard, der das ganze Konzert über beim Einblenden der Band auf den Leinwänden zu sehen ist. Politische Ansagen gegen den Rechtsruck in Deutschland runden das Bild ab.
Vor der Show hatte die Truppe beim Treiben in der Isar bereits eine erste Münchner Prüfung zu überstehen. „Ich hatte noch nie so eine Nahtoderfahrung wie heute“, gesteht Rohde. „Wie krass, dass es einfach einen Fluss mitten in der Stadt gibt! Das Einzige, was wir aus Berlin kennen, sind Fahrräder in der Spree oder Ratten in der Stadt.“ Die perfekte Überleitung zum Song „Chérie“, der mit Augenzwinkern ein verlorenes iPhone im Landwehrkanal thematisiert. Die Nummer „Bitch“ lässt die Temperaturen im schwülen Zelt weiter steigen. Dabei verzichtet die Band wie gewohnt auf den diskriminierenden Refrain, den sie dem fröhlichen Chor der Fans überlässt. Um heisere Kehlen scheint sich heute niemand Sorgen zu machen, jedes Lied wird lauthals mitgesungen.
Zur Zugabe darf jemand aus dem Publikum auf die Bühne, der die Rap-Einlage beim Song „Fundbüro“ übernimmt und das bravourös meistert. „Elon“ zum Abschluss animiert noch einmal das gesamte Publikum zum Tanzen, Springen, Eskalieren. Von Wegen Lisbeth hinterlassen eine komplett nasse Fanmenge – und das ganz ohne Isarbad.
MICHAEL HELLSTERN