Glücklichmacher mit der Stradivari: Fast 150 000 Fans aus der ganzen Welt kommen zu André Rieus Open-Air-Sommerkonzerten nach Maastricht. © André Rieu
Wenn André Rieu in der Münchner Olympiahalle zu seiner alljährlichen Walzerparty einlädt, sind die Christbäume frisch abgeräumt, und es ist Winter. Dann zaubert der berühmteste Stehgeiger der Welt mit seiner knallbunten Show die dringend benötigte Farbe in die dunkle Jahreszeit. Einen völlig anderen Rieu konnte man gerade wieder in seiner Heimatstadt Maastricht erleben. Bei den legendären Open-Air-Sommerkonzerten auf dem malerischen Vrijthof gilt: Sommer, Sonne, Strauss! Fast 150 000 Fans aus der ganzen Welt kommen zu dem Spektakel, zu einer Art Taylor Swift für Boomer. Unsere Zeitung schaute und hörte sich um beim unterhaltsamsten, größten und lukrativsten Kurkonzert der Welt.
Seit 2005 hält Rieu mit seinem Johann-Strauss-Orchester auf dem zentralen Platz Hof, direkt neben der Servatiusbasilika, in der er als Bub im Chor gesungen hat. Auf dem Vrijthof haben sie ihm eine Art Tempel gebaut, römisches Design, wenn auch nur aus Pappmaché. Stört aber keinen, schon gar nicht den Maestro, der sich freut: „Das sind die einzigen Auftritte, zu denen ich mit dem Fahrrad fahren kann.“ Denn sein Schloss droben am Ursulinenweg ist nur gut zehn Minuten entfernt.
Die zwölf Konzerte an drei Wochenenden, zu denen sich die Strauss-Mania ausgewachsen hat, halten die ganze Stadt auf Trab. Alles summt, alles brummt, André Rieu ist allgegenwärtig. In den Restaurants gibt es die Rieu-Fischplatte, und auf den Terrassen der Cafés stehen Bildschirme für die Live-Übertragung der Sause.
Lederwaren-Verkäufer John schwärmt: „Andrés Konzerte bringen so viele Menschen nach Maastricht, das ist ein Geschenk für uns.“ Viele kommen mit dem Reisebüro „André Rieu Travel“ in die Stadt – und das nicht nur im Sommer, sondern auch zu Weihnachts- und Neujahrskonzerten. Und bestimmt auch bald zu „Little André“, einem Kindermärchen um einen kleinen Geiger, dem neuesten Projekt aus dem Imperium des umtriebigen 74-Jährigen.
Auf einem Transparent am Vrijthof huldigen die Fans ihrem Walzer-Guru: „Du bist der Sonnenschein in unserem Leben.“ Allerdings startet der Abend mit einem gewaltigen Regenguss, gut zwei Stunden vor dem Konzert. Aber auch dafür ist vorgesorgt: Auf jedem der 12 000 Plätze liegt ein Poncho parat. Und dann hält das Wetter eh durch. Wenn Engel reisen (mit Rieu Travel), scheint die Sonne.
Was der Heimschläfer und sein Orchester, unterstützt von 400 Blasmusikern, dann drei Stunden lang abliefern an der schönen blauen Maas, ist eine „notte magica“ in Oranje. „Nessun dorma“ mit den Platin Tenors, das wuchtige Thema aus „Ben Hur“, die hinreißende junge Sängerin Emma Kok mit dem ESC-Hit „Voilà“ und die nach Limburg ausgewanderte „Lustige Witwe von Maastricht“ – die Rieu-Ultras in der Strauss-Südkurve singen, tanzen, klatschen. Der alte Glücklichmacher mit der Stradivari kriegt sie immer wieder.
Zum umjubelten Ende kurz vor Mitternacht beweist die Kapelle mit „Tutti Frutti“ und „Sweet Caroline“, so good, so good, dass sie verdammt gut rocken kann, mit E-Gitarre und allen Schikanen. Und ein Feuerwerk zeigt: Walzer-Pyrotechnik ist kein Verbrechen. Ach, wie schön, dass Sommer ist. Aber weil André Rieu am 22. Januar wieder nach München kommt, gibt’s wenigstens einen Grund, sich auf den Winter zu freuen.
JÖRG HEINRICH
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für André Rieus Auftritt am 22. Januar in der Olympiahalle gibt es jetzt bei allen Vorverkaufsstellen.