Scharfer Wind am Grünen Hügel

von Redaktion

Claudia Roths Vorschlag zum Bayreuther Repertoire sorgt selbst in London für Wirbel

Alles auf Wagner: Eröffnet werden die Bayreuther Festspiele am Donnerstag mit „Tristan und Isolde“. © Daniel Karmann/dpa

Selbst für die altehrwürdige „Times“ in London ist das Entsetzen der Wagnerianer eine Schlagzeile wert: „Moronic“ sei das aus deren Sicht, was Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) da gefordert habe. Andere Musik als die von Richard Wagner bei den Bayreuther Festspielen? „Schwachsinnig“ – so zitiert die „Times“ „Opernfans“. Roth sei eines Sakrilegs beschuldigt worden.

Und das ist es aus Sicht überzeugter Wagnerianer wohl auch, was Roth da kurz vor dem Start der Festspiele an diesem Donnerstag forderte. Sie plädierte dafür, auf dem Grünen Hügel neben Richard Wagner auch andere Komponisten aufzuführen. „Mir schwebt da etwa Engelbert Humperdincks ,Hänsel und Gretel‘ vor. Das ist eine Oper, die aus der Wagner-Tradition kommt. Von solchen Werken gibt es ja etliche“, sagte Roth den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (wir berichteten).

Es sei wichtig, dass sich Einrichtungen wie die Festspiele einem jüngeren Publikum stärker öffneten. Bayreuth sollte insgesamt vielfältiger, bunter und jünger werden. Sie räumte jedoch auch ein: „Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass ja bislang vorgegeben ist, dass das Festspielhaus nur für die Aufführung der Werke von Richard Wagner genutzt werden dürfe.“ Auf diese Vorgabe verweisen auch die Festspiele auf Anfrage.

Das eigentlich Undenkbare, es stand nun im Raum und dafür gab es direkt scharfen Gegenwind aus Bayern. Der Freistaat werde einer dafür nötigen Satzungsänderung im Stiftungsrat der Festspiele nicht zustimmen, sagte Kunstminister Markus Blume (CSU) ebenfalls den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Die Satzung ist klar, und es gibt keine Notwendigkeit für eine Änderung. Bayern würde da nicht zustimmen. Wagner ist der Stoff, von dem Bayreuth lebt.“

Blume betonte, er sehe ein Potenzial zur Modernisierung der Festspiele in neuen Formaten, spannenden Inszenierungen und musikalischer Exzellenz – aber nicht in einer Erweiterung des Repertoires: „Man kommt doch nach Bayreuth, weil man Wagner dort in einer Brillanz hören kann, die es nirgends sonst gibt. Ich habe das Gefühl, Frau Roth hat den Mythos Bayreuth nicht verstanden. Bayreuth lebt von Wagner.“

Welche Konsequenzen der Denkanstoß von Roth auf die künftigen Festspiele haben könnte und ob er überhaupt welche hat, ist also offen. In diesem Jahr aber springt die Grünen-Politikerin mit ihrer Forderung gewissermaßen ein für den traditionellen Festspiel-Eklat um Ausfälle, kurzfristige Absagen oder was sonst noch so los war in den vergangenen Jahren in Bayreuth.

Denn ansonsten war es – von schon etwas länger zurückliegenden Protesten um Einsparungen beim Chor abgesehen – auffällig ruhig auf dem Grünen Hügel. Die Festspielchefin Katharina Wagner geht mit Rückenwind und einem jüngst verlängerten Vertrag in der Tasche in die aktuelle Saison (wir berichteten).

Doch natürlich tun sich rund um die Festspiele weiterhin spannende Fragen auf, zum Beispiel, ob die Einsparungsbemühungen das künstlerische Niveau schmälern? Und überhaupt – in Zeiten klammer Staatskassen: Wie viel Geld aus München und vor allem Berlin wird weiterhin nach Bayreuth fließen? Nicht zuletzt mahnt Katharina Wagner selbst immer wieder Reformen in den komplizierten Strukturen an.
K. ZEILMANN/B. SCHULTEJANS

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