Star-Riege in Salzburg: Mika Kares (v. li.), Sebastian Kohlhepp, Konstantin Krimmel, Elsa Dreisig, Eve-Maud Hubeaux und Bo Skovhus. © Marco Borrelli/Salzburger Festspiele
Konzertante Oper zum Festivalauftakt? Und dann noch das eher von Dirigenten und Liebhabern geschätzte „Capriccio“ von Richard Strauss? Das geht selbst bei den vom Komponisten mitbegründeten Salzburger Festspielen nur mit einem Publikumsliebling und Strauss-Kenner wie Christian Thielemann am Pult. Und so versteht es sich fast von selbst, dass der Orchestergraben im Großen Festspielhaus für ihn ein wenig nach oben gefahren wird und der Maestro die gesamte Aufführung über gut sichtbar in seinem eigenen Lichtspot waltet.
Beim Betreten des Saales wundert es zwar, dass die Wiener Philharmoniker für den konzertanten Abend im Graben Platz genommen haben. Aber ganz ohne szenische Aktion geht die erste große Oper des diesjährigen Festivals eben doch nicht über die Bühne. Mit Ausnahme von Mika Kares, der gemäß seiner Rolle als Theaterdirektor La Roche das fein ziselierte Vorspiel auf seinem Stuhl verschlafen darf, gibt es für die Sängerinnen und Sänger genau getaktete Auf- und Abtritte sowie kleine Interaktionen, die es erleichtern, der Handlung zu folgen. Auch wenn diese in Strauss‘ Konversationsstück eher übersichtlich ausfällt. Mitten in den Kriegswirren der 1940er-Jahre lässt er die Gesellschaft auf dem Landsitz der Gräfin Madeleine über Vorzüge von Glucks Opernreform diskutieren und nebenher ein wenig flirten. Und um es mit einem Zitat aus einer anderen Strauss-Schöpfung zu sagen: „Die Oper hat Längen! Gefährliche Längen!“
Doch so delikat, wie Thielemann sich dem Werk nähert, treten die Schwächen schnell in den Hintergrund. Der auf der Bühne verhandelte alte Streit, ob im Musiktheater dem Text oder den Noten der Vorzug gebührt, scheint durch ihn klar beantwortet. Wie er die Wiener Philharmoniker transparent zu führen versteht und Details zutage fördert, belegt seine Liebe zu dieser Partitur, die für ihn nicht nur aus den Höhepunkten wie der süffigen „Mondscheinmusik“ oder dem Schlussmonolog der Gräfin besteht. Auch diese Momente werden von den Wienern natürlich mit einem extra Löffel Schlagobers serviert. Doch zählt es ebenso zu Thielemanns Tugenden, dass er Sängerinnen und Sänger nie zudeckt und daher sehr wohl auch das Wort zu seinem Recht kommen lässt.
Elsa Dreisig ist eine jugendliche, dennoch abgeklärte Gräfin, deren leuchtender Sopran sich im lockeren Plauderton ähnlich wohlfühlt wie in den aufblühenden Bögen der Schluss-Szene. Neben ihr begeistert vor allem Mika Kares. Als La Roche gibt er nicht nur den polternden Buffo, sondern lässt einen profunden Bass vernehmen, mit dem er auch in den philosophischeren Momenten seiner Rolle gute Figur macht. Bo Skovhus balanciert als Graf auf dem schmalen Grat zwischen glühendem Theaterfan und Möchtegernschauspieler. Wie er in Gegenwart der von ihm bewunderten Clairon seine Verse hyperpathetisch runterleiert, ist köstlich. Gerade im Kontrast zu Ève-Maud Hubeaux, die ihrem historischen Vorbild mit vollendeter Noblesse nacheifert.
Die Verehrer der Gräfin sind bei Sebastian Kohlhepp und Konstantin Krimmel bestens aufgehoben. Zwei Sänger, die ihre Erfahrungen im Lied gewinnbringend einsetzen und sich beim Wettstreit um die Gunst Madeleines rhetorisch nichts schenken. Mit solch starker Besetzung lässt sich die fehlende Szeniere verschmerzen. Selbst wenn Strauss’ Liebeserklärung ans Theater diese bei „seinen“ Festspielen verdient hätte.
TOBIAS HELL
Weitere Vorstellungen
am 31. Juli und 4. August;
weitere Informationen unter www.salzburgerfestspiele.at.