Es ist angerichtet: Blick in die Adele Arena auf dem Messegelände in Riem. © Uwe Lein
„I drink Wine“ heißt ein Song von Adele. Das kann man im Pub der Adele World wörtlich nehmen. © Uwe Lein
Alle Augen auf Adele: die Leinwand in der neuen Adele Arena in München. Die Britin ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen des 21. Jahrhunderts. © Uwe Lein
Fans aus dem In- und Ausland fiebern der Show seit Monaten entgegen, nun geht es los: Die britische Sängerin Adele sollte am Freitagabend das erste ihrer zehn Konzerte in einem eigens für sie erbauten Pop-up-Stadion in München geben (bei Redaktionsschluss hatte die Show noch nicht begonnen). Rund 74 000 Menschen wurden jeweils in der Adele Arena erwartet, die von einer Adele World umrahmt wird – einer Art Mini-Volksfest rund um das Leben des britischen Superstars mitsamt Pub, Riesenrad und Kettenkarussell, in dem sich die Gäste vor und nach dem Konzert die Zeit vertreiben können.
Es ist das erste Mal seit 2016, dass die 36-Jährige („Rolling in the Deep“, „Hello“, „Easy on me“) auf dem europäischen Festland auftritt. Entsprechend groß war der Ansturm auf die teils mehr als 400 Euro teuren Tickets für die Konzerte, die zwischen dem 2. und 31. August stattfinden. Dennoch gibt es wie berichtet noch Restkarten zu kaufen – zuletzt als „Lucky Dip“-Tickets für gerade einmal 35 Euro (siehe Artikel unten).
Die Veranstalter versprechen neben einem bisher einzigartigen Konzertkonzept auf allen Plätzen ein herausragendes Hörerlebnis: „Das hat Studioqualität“, betonte Veranstalter Marek Lieberberg. Durch die Gestaltung der Arena in Form eines Amphitheaters seien auch alle Zuschauer ungefähr gleich weit von der gigantischen, mit Laufstegen in die Zuschauermenge ragenden Bühne entfernt. Als Hintergrund dient eine Leinwand der Superlative: 220 Meter breit und 17 Meter hoch soll Adele dort zu sehen sein.
Es ist das zweite musikalische Großereignis in der bayerischen Landeshauptstadt binnen weniger Tage: Erst am vergangenen Wochenende hatte Taylor Swift im Olympiastadion für Furore gesorgt (wir berichteten).
Für ihre zehnteilige Konzertreihe lässt Adele eine bombastische Bühne in München aufbauen. Woanders in Europa tritt sie nicht auf – die Fans müssen zu ihr kommen. Adeles Konzertreihe zeigt: Superstars inszenieren sich heute anders. Mit Spielregeln, die sie selbst bestimmen. Und klaren Grenzen für die Öffentlichkeit.
Das fällt auch bei Taylor Swift, Miley Cyrus, Selena Gomez auf. Swift ist zwar gerade auf Welt-Tournee – doch Interviews gibt sie seit Längerem keine. Die Konditionen ihres Weltruhms diktiert sie selbst.
Cyrus sorgte für Unmut, als sie sagte, dass sie nicht mehr auf Tour gehe, weil sie das zu anstrengend finde. Stattdessen gibt sie Konzerte mit ausgewählten Gästen im Chateau Marmont Hotel in Los Angeles. „Vor Hunderttausenden von Menschen zu singen, ist nicht wirklich das, was ich liebe“, sagte Cyrus der britischen „Vogue“. Auch Adele mag nicht alles an ihrem Beruf. „Den Ruhm, den hasse ich“, sagte sie im Interview des Fernsehmagazins „Kulturzeit“ auf 3sat. „Mein Speicher ist ziemlich leer, weil ich so sensibel bin und weil ich dauernd auf der Bühne stehe“, erklärte sie. Und fügte hinzu: „Ich singe nicht mal zu Hause, wie seltsam ist das?“
Der Medien- und Popkulturwissenschaftler Jörn Glasenapp beschreibt es so: „Ich glaube, bei den ganz Großen kann man sagen, dass sie auf die klassischen Medien nicht mehr angewiesen sind und insofern auch nicht nach ihren Spielregeln spielen müssen.“ Gleichzeitig betont er, dass die Superstars dabei jeweils sehr unterschiedlich vorgehen. Sie eine, dass sie es „nicht nötig haben, nach den Regeln der Branche zu tanzen“. Seine Einschätzung ist, dass sich in dieser Hinsicht auch in der Industrie etwas verändert hat – und die großen Popstars seltener unter Knebelverträgen leiden. „Die sind so groß, diese Künstlerinnen, Adele, Taylor Swift, Beyoncé et cetera. Die können entscheiden, ob sie auf Tour gehen oder nicht. Keine Plattenfirma kann Adele dazu zwingen, irgendetwas zu tun.“
Gleichzeitig leben Superstars heute in einer Welt, in der es viel weniger Privatsphäre gibt. Als Adele, Swift oder Cyrus groß wurden, waren die Sozialen Netzwerke noch nicht omnipräsent. Da ist es nachvollziehbar, dass sich die Stars mehr Privatheit wünschen und die Bedingungen ihrer Auftritte stärker kontrollieren.
Die Fans erwartet eine besondere musikalische Wucht
Manche Musikerinnen und Musiker ziehen sich auch zurück, um ihre psychische Gesundheit zu wahren. Zum Beispiel Selena Gomez, die in einem Interview sagte, dass sie seit mehr als vier Jahren nicht mehr im Internet gewesen sei. „Es hat mein Leben völlig verändert“, schilderte sie in der Talkshow „Good Morning America“. „Ich bin glücklicher, ich bin präsenter.“ Auf Konzerttour war sie schon länger nicht mehr. „Nichts macht mich glücklicher^, als 90 Minuten mit meinen Fans zusammen zu sein und gemeinsam zu feiern“, führte Gomez in einem anderen Interview aus. Aber: „Es ist emotional sehr anstrengend für mich. Und dann merkt man, dass man nur von einem Haufen Leute umgeben ist, die man bezahlt.“
Mentale Gesundheit wird heute mit viel größerer Sensibilität und mehr Verständnis behandelt. Früher war das anders: In Erinnerung bleibt eine Folge der Netflix-Dokumentation über den britischen Megastar Robbie Williams, in der dieser erzählt, wie er einen ganzen Auftritt während einer Panikattacke dennoch weiter absolviert habe. Heute sprechen Stars offener über ihre psychischen Probleme. Auch Adele, die mal sagte, dass sie unter saisonalen Depressionen leide.
An ihren Konzerten in München dürften Fans in jedem Fall ihre Freude haben. Live-Auftritte von Adele sind für mindestens zwei Dinge bekannt: viel Interaktion mit dem Publikum – und eine besondere musikalische Wucht.
LISA FORSTER