Willkommen in Banksys Zoo

von Redaktion

Die tierischen Motive des Street-Art-Künstlers in London sorgen für Spekulationen

Schon wieder Geschichte: Die genüsslich sich streckende Katze ist verschwunden. © Jordan Reynolds/dpa

Ein „Moment unerwarteter Freude“: Banksys Elefanten auf einer Fassade in Chelsea. © Yui Mok/dpa

Kritik an Londons Polizei, die zuletzt mit einigen Skandalen in die Schlagzeilen geriet? Die Fische in Banksys jüngstem Werk erinnern mit ihren spitzen Zähnen an Piranhas. © ANDY RAIN/dpa

Die Briten lieben Tiere. Das weiß der Street-Art-Künstler Banksy, der in seinen Werken oft auf gesellschaftliche Schieflagen hinweist. Wie berichtet, überraschte er eine Woche lang die Menschen in London täglich mit einem neuen Tierbild – darunter ein Steinbock, Elefanten, Äffchen, ein Wolf, Pelikane, eine Katze und zuletzt Fische. Es sind zumeist Silhouetten, die mithilfe einer Schablone auf Hauswände und andere Oberflächen aufgesprüht werden, sogenannte Stencils. Schon ist in London von „Banksys Zoo“ die Rede.

Das aktuellste Werk fällt etwas aus der Reihe: Auf die Scheiben eines Glashäuschens der Polizei in der Londoner City brachte der Künstler vor blauem Hintergrund Fischschwärme auf. Das Häuschen, das einer Telefonzelle ähnelt und die Aufschrift „City of London Police“ trägt, wirkt dadurch wie ein Aquarium. Die Polizei teilte laut dem Sender Sky News mit, sie habe Sachbeschädigung an einem Polizeihäuschen festgestellt.

Der Graffiti-Star – seine Identität ist ein Geheimnis – bestätigt die an unterschiedlichen Orten in London über Nacht auftauchenden Werke stets mit einem Foto auf seinem Instagram-Account. Sie wurden rasch zu wichtigen Orten für Fans des sozial engagierten Künstlers, der sich auch für Flüchtlinge einsetzt. Doch die Freude war manchmal nur von kurzer Dauer: Eine sich genüsslich streckende Katze, die auf eine verfallene Werbetafel an einer Straße im Nordwesten Londons gesprüht wurde, verschwand schnell.

Angeblich aus Sicherheitsgründen machten sich Mitarbeiter einer Firma daran, die Werbetafel im Auftrag des Eigentümers abzubauen. Der habe versprochen, das Werk einer Kunstgalerie zu spenden, erfuhr die Nachrichtenagentur PA von der Polizei. Trotzdem gab es Buhrufe von Banksy-Fans.

Noch ein zweites Werk verschwand gleich wieder. Mehrere maskierte Männer hatten den auf einer Satellitenschüssel aufgesprühten heulenden Wolf im Stadtteil Peckham innerhalb einer Stunde nach der Bestätigung Banksys abmontiert. Die Polizei bestätigte, dass eine Anzeige wegen Diebstahls vorliegt. Ein Sprecher des Künstlers teilte mit, Banksy habe mit dem Abbau des Werks nichts zu tun.

Seine Fans spekulieren seit Tagen darüber, was er mit den Tierbildern sagen will. Spielte er mit dem Steinbock etwa auf die rechtsextremen Ausschreitungen im Land an, mit einem Symbol für einen Sündenbock, wie ein Instagram-Nutzer meinte? Sollen die drei Äffchen für den japanischen Spruch „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“ stehen? Die Weisheit, die oft mit drei Affen dargestellt wird, von denen sich je einer die Augen, Ohren oder den Mund zuhält, gilt als Kritik an der Neigung von Menschen, über Unrecht hinwegzusehen.

Banksy selbst lieferte keine Interpretation. Immerhin, nach Tagen des Rätselns, konnte der „Observer“ etwas Licht ins Dunkel bringen. Aus dem Umfeld des Künstlers heißt es, Banksy wolle Freude bereiten in einer Zeit, in der negative Schlagzeilen dominierten. Er hoffe, „dass die Werke die Menschen mit einem Moment unerwarteter Freude aufmuntern“. Zudem gehe es darum, die Fähigkeit des Homo sapiens zu kreativem Spiel anstatt zu Zerstörung und schlechter Laune hervorzuheben.

Der Aufmerksamkeit nach, die Banksys Zoo erhielt, dürfte ihm das gelungen sein. Ganz ohne kritische Untertöne ist der womöglich doch nicht: Die Fische auf dem Polizeihäuschen erinnern an Piranhas. Für die britische Polizei, die in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Skandalen zu kämpfen hatte, keine schmeichelhafte Interpretation.
CHRISTOPH MEYER

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