Mit Raubtierblick: Alain Delon 1967 in „Der eiskalte Engel“.
Ein Glamourpaar: Romy Schneider (1938-1982) und Alain Delon 1959 in München. Er nannte sie Püppchen. © EPU / AFP
Ein Fixstern des Kinos ist gegangen: Alain Delon (1935-2024). © VALERY HACHE/afp/Ullstein
Die Titel, unter denen deutsche Verleiher ausländische Filme ins Kino brachten, waren lange Zeit, sehr zu Recht, berüchtigt. Aber bei Jean-Pierre Melvilles Meisterwerk „Le Samourai“ hatte man in Deutschland den richtigen Riecher, er hieß hier: „Der eiskalte Engel“. Den spielte Alain Delon 1967 als emotionslosen Killer, dessen makellos gutes Aussehen in irritierendem Kontrast zu seinem verwüsteten Seelenleben steht. Alain Delon allein im Trenchcoat mit kühlem Raubtierblick, dieses Bild hat Kinogeschichte geschrieben. Und ihm hat das ganz gut gefallen, dieses Image eines unnahbaren Einzelgängers, dessen Geheimnis niemand zu lüften vermag. Delon spielt solche unerbittlichen Männer, die tun, was sie meinen, tun zu müssen, über die Jahrzehnte immer wieder erfolgreich, das hat ihn wohlhabend gemacht.
Berühmt wird er schon früh mit einer ganz anderen Rolle: 1959, da ist Delon gerade 24, gibt ihm Starregisseur Luigi Visconti die Hauptrolle in „Rocco und seine Brüder“. Delon reißt als erbarmungsloser Boxer den Film spektakulär an sich. Noch heute stockt einem der Atem, wenn man sieht, mit welcher Maßlosigkeit er sich diese Rolle einverleibt. Als der Film 1960 beim Filmfestival Venedig ausgezeichnet wird, ist Delon bereits ein Weltstar. Regisseur René Clément hat im selben Jahr in ihm die perfekte Besetzung für den mörderischen Hochstapler Tom Ripley in „Nur die Sonne war Zeuge“ erkannt. Der verkommene Charakter und das gute Aussehen – dieses paradoxe Mysterium trägt den Film. Delon ist mit seinen feinen Gesichtszügen und den blitzend blauen Augen eine unwirkliche Erscheinung und wird einer der größten Stars, die das europäische Kino kennt.
Dass Delon eine Leinwand-Ikone werden würde, ist nicht abzusehen, als er 1925 in der französischen Provinz zur Welt kommt. Die Eltern lassen sich früh scheiden, er kommt zu Pflegeeltern und wächst neben einem Gefängnis auf, was er aufregend findet. Ein Leben lang wird er mit Kriminellen befreundet bleiben. In der Schule läuft es nicht gut, er wird ständig wegen renitenten Verhaltens rausgeworfen, und auch im Internat will er sich nicht unterordnen. Mit 14 geht er ohne Abschluss ab und hilft erst mal in der Metzgerei seines Stiefvaters aus. Mit 17 meldet sich der junge Mann zur Armee und kommt als Soldat nach Indochina, wo gerade Krieg herrscht. „Die glücklichste Zeit meines Lebens“, wird Delon später betonen. Dass man diese Aussage zumindest ambivalent finden kann, ist ihm natürlich bewusst. Im Krieg freundet er sich mit Jean-Marie Le Pen an und bleibt sein Freund, auch als Le Pen zur rechtsextremen Nemesis des politischen Frankreich wird. „Ich wähle ihn nicht“, versichert Delon, er distanziert sich aber mit keiner Silbe von Le Pen, sondern nennt ihn einen guten persönlichen Freund. Gut möglich, dass ihm Le Pen herzlich egal ist, Delon will sich einfach nie vorschreiben lassen, was er gut oder schlecht zu finden hat.
Nach dem Armeedienst nimmt er Schauspielunterricht und ergattert 1957 eine erste Filmrolle – als Gangster. Es folgt der rasante Aufstieg zu einer schillernden Prominentenexistenz, spätestens als er 1959 mit Romy Schneider zusammenkommt. Anfangs können sich die beiden nicht besonders leiden, dennoch werden sie ein Glamourpaar. Delon, ganz Provinzmacho, lernt nur ein einziges Wort Deutsch: „Püppchen“, so nennt er Schneider, die dem Beau völlig verfallen ist. 1964 ist schlagartig Schluss, Delon heiratet eine andere Frau und gründet eine Familie, einfach so. Später immerhin, nach dem frühen Tod von Romy, schreibt er einen überraschend gefühlvollen Abschiedsbrief und lässt ansatzweise so etwas wie menschliche Regungen erkennen.
Das kommt eher selten vor, so kühl wie die harten Helden seiner Filme agiert Delon auch in der Öffentlichkeit. Als 1968 sein jugoslawischer Leibwächter Stevan Markovic ermordet aufgefunden wird, bleibt er merkwürdig teilnahmslos. Es steht sogar der Verdacht im Raum, Delon habe etwas mit der Tat zu tun, da sind ja diese Kontakte zu Unterwelt-Gestalten, zu denen auch Markovic gehörte. Delon schweigt und bleibt selbst in seinem privaten Umfeld unnahbar. Sohn Anthony fallen zu Vater Delon nur zwei Worte ein: „Sehr streng“.
Ab und an, etwa in dem bewegenden „Monsieur Klein“ (1976), zeigt Delon, dass er ein außergewöhnlicher Schauspieler sein kann, wenn er will. Meistens will er aber nur seine Paraderolle spielen. Als es Ende der Achtzigerjahre nicht mehr so gut läuft im Kino, wird er zunehmend Geschäftsmann, handelt mit Spirituosen, Zigarren und organisiert Veranstaltungen. Für ein entsprechendes Salär kann man den Star als Ehrengast dazu mieten. Mit zunehmenden Alter pflegt er beinahe liebevoll sein Image als mürrischer Einzelgänger und zieht sich auf sein Anwesen zurück, 90 Minuten südlich von Paris, mitten im Nichts. Gelegentlich gönnt er sich launige Gastauftritte und beweist 2008 als eitler, größenwahnsinniger Cäsar in „Asterix und Obelix“ etwas, was ihm kaum einer zutraut: Selbstironie.
Mit Alain Delon ist einer der Fixsterne des Kinos gegangen. Er hat mehr als 100 Filme hinterlassen, darunter bemerkenswert viele Klassiker. Als er 2019 beim Filmfest Cannes den Ehrenpreis bekam, gab es viel Genörgel wegen seiner stramm konservativen Aussagen, aber das kümmerte den Kulturskeptiker kein Stück. Er war so, wie er war. Aus. Was die anderen darüber dachten, hat ihn nie gekümmert. „Ein Mann wird einsam geboren, lebt einsam und stirbt einsam“, hat Delon einmal gesagt. Und es genau so gemeint.
ZORAN GOJIC