In alter Pracht wurde die Anna Amalia Bibliothek 2007, also drei Jahre nach dem Inferno, wiedereröffnet. © Joachim Neumann
Auslöser war ein Kabelbrand: Am 2. September 2004 brannte das Gebäude, die Decke stürzte ein. © Michael Paech
Wertvolles Schriftgut konnte teilweise gerettet werden: Blick in den schwer beschädigten Rokokosaal © Martin Schutt
Bis kurz vor zehn Uhr abends schleppten Bibliotheksmitarbeiter und Weimarer Bürger, die herbeigeeilt waren, wertvolle Bücher, Bilder und Skulpturen aus dem brennenden Gebäude ins Freie. Danach, es war der 2. September 2004, sperrte die Feuerwehr den Zugang zur Herzogin Anna Amalia Bibliothek. „Erst in dieser Sekunde ist mir eingefallen, dass da noch unsere sehr wertvolle Bibelsammlung steht mit einer Lutherbibel aus dem Jahre 1534, der ersten Gesamtausgabe“, erinnert sich Michael Knoche, der damalige Direktor der Bibliothek im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Die Feuerwehr ließ ihn dann doch noch einmal in den weltberühmten Rokokosaal: „Von oben floss natürlich Unmengen Löschwasser auf uns nieder, und zwar heißes Löschwasser, und dann haben wir uns an das Regal vorgetastet und die Bücher gegriffen und sind schleunigst wieder aus dem Saal hinaus.“
Rund 50 000 Bände wurden vernichtet
20 Jahre ist es her, dass die 1691 gegründete Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Flammen stand. Auslöser war ein Kabelbrand. Rund 50 000 Bände wurden vernichtet, etwa 60 000 konnten, wenn auch beschädigt, gerettet werden. Die Mauern aus dem Jahre 1595 hielten dem Feuer stand, die Decke stürzte ein. Auch zwölf Stunden nach dem Brand „regnete“ es aus dem Himmel über Weimar verkohlte Buchseiten. 2007 wurde das restaurierte Bibliotheksgebäude dann wieder eröffnet.
Benannt wurde die Bibliothek 1991 zum 300. Gründungstag nach Anna Amalia (1739-1807), der Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, die mit 18 Jahren dortige Regentin wurde. Sie veranlasste den Umzug der Einrichtung ins sogenannte Grüne Schloss, das zwischen 1562 und 1569 erbaut wurde. Der Name geht vermutlich auf die grünliche Patina des Kupferdaches zurück. Der ganz in Weiß und Gold gehaltene Rokokosaal und seine Galerien bilden das Herzstück.
Berühmt wurde auch das Deckenbild des Saals, „Genius des Ruhms“ von 1794, auf dem ein geflügelter Jüngling in den blauen Himmel aufsteigt. Es verbrannte 2004 vollständig. „Am anderen Morgen, als dann die Sonne wieder aufging, sah man auch in den blauen Himmel vom Saal aus. Das war ein schöner und schrecklicher Anblick zugleich“, erinnert sich Ex-Direktor Knoche. Das Gemälde von Johann Heinrich Meyer ersetzte der badische Kirchenmaler Hermenegild Peiker im Jahr 2007.
1797 erhielt Johann Wolfgang von Goethe die Oberaufsicht über die Bibliothek. Der Weimarer Dichter leitete sie 35 Jahre lang bis zu seinem Tod 1832 als Bibliothekar und führte sie zu einer der bedeutendsten Bibliotheken Deutschlands. Während seiner Amtszeit verdoppelten sich die Bestände auf 80 000 Bände. Die Bibliothek prägte die Weimarer Klassik mit und ist bis heute eines der wichtigsten Archive dieser Epoche.
Zu den Kostbarkeiten der Sammlungen gehören auch mittelalterliche und frühneuzeitliche Buchhandschriften, zum Beispiel ein karolingisches Evangeliar aus dem 9. Jahrhundert, eine umfangreiche Atlantensammlung, eine Sammlung von Flugschriften aus der Reformationszeit sowie das weltweit größte Konvolut zur historischen Person Faust. Durch den Brand größtenteils zerstört wurde etwa die Musikaliensammlung der Herzogin Anna Amalia und auch ein Großteil der Bibelsammlung.
Seit 1998 zählt die Bibliothek zum Weltkulturerbe der Unesco. Über eine Million Medien stehen den Angaben zufolge zur Verfügung. Jede Person ab 14 Jahren kann sich als Leserin und Leser eintragen lassen und die Bestände nutzen.
Den Weimarer Bürgerinnen und Bürgern ist die Brandnacht bis heute deutlich in Erinnerung geblieben. „Schon auf der Anfahrt habe ich Flammen aus dem Dachstuhl gesehen und wusste, das wird jetzt anders, als wir das am Anfang vermutet hatten“, sagt etwa Ralf Seeber, damals Einsatzleiter der Feuerwehr. Die Stiftung Weimarer Klassik hat solche Zeitzeugenberichte rund um die Brandnacht, aber auch zur persönlichen Bedeutung der Bibliothek für die Weimarer anlässlich des Jahrestags des Brandes gesammelt; ab dem 6. September können die Videointerviews in den Digitalen Sammlungen der Bibliothek abgerufen werden.
NINA SCHMEDDING