„Forget Tomorrow“ – denkt nicht an morgen: Justin Timberlakes Tour-Motto leuchtet in der Olympiahalle. © Instagram
Mittendrin: Zum Akustik-Teil seiner Show zieht es Justin Timberlake auf eine kleinere Bühne in der Mitte der Halle, wie hier auf unserem Archivfoto, das in New York entstanden ist. © Getty Images
„Alles gut?“, fragt Justin Timberlake auf Deutsch zu Konzertbeginn ins Publikum. Ein ohrenbetäubendes Kreischen antwortet ihm. Die Münchner Fans sind bestens gelaunt. Immer wieder schallen laute „Justin“-Rufe von den Rängen der Olympiahalle. Ein Beweis, dass er seit den Boygroup-Zeiten mit N’Sync in den Neunzigerjahren und der folgenden Solo-Karriere kaum etwas von seiner Popularität verloren hat. Sein lässiger Charme wird gleich am Anfang dieses Mittwochabends erlebbar, als er frech grinsend Autogramme für die Fans in den ersten Reihen gibt. Im Gegensatz zu anderen singenden Hollywood-Stars, wie 30-Seconds-To-Mars-Frontmann Jared Leto, hat es Timberlake auch nicht nötig, nach jedem Song die Garderobe zu wechseln. Mit Jackett, Sonnenbrille, kurzer stylischer Hose und weißen Sneakern ist er passend zu seinen Tänzerinnen und Tänzern angezogen.
„Ich bin verliebt in München“, gesteht Timberlake später und erntet dafür ohrenbetäubenden Jubel. Mit N’Sync habe er früher dank des ersten Plattendeals knapp sechs Monate in München gelebt und die Stadt mit dem Englischen Garten lieb gewonnen. Kein Wunder, dass er gleich zwei Abende hintereinander hier auftritt.
Die Akustik in der Olympiahalle lässt allerdings zu Beginn zu wünschen übrig: Zunächst ist es fast eine Art Soundbrei, ohrenbetäubend laut und blechern. Erst nach drei Songs bessert sich das und nun ist auch seine Stimme deutlich zu hören, die nichts von ihrer jugendlichen Kraft eingebüßt hat. Häufig greift er auf die Auto-Tune-Hilfe zurück und es ist oft nicht ganz klar, ob die Stimme nun vom Band kommt oder von einem der Gastsänger seiner Tourband, den Tennessee Kids. Generell zeigt sich im Verlauf des Konzerts, dass auch ein Mega-Popstar nicht alles allein schaffen kann. Seine akrobatischen Tanzeinlagen und sexy Hüftschwünge sind nach wie vor mitreißend. Allerdings ist es auch ihm nicht möglich, dabei gleichzeitig noch alle Songpassagen zu singen, sodass oft die Tennessee Kids einspringen. Diese bewerkstelligen das aber bravourös und lassen kaum einen Qualitätsunterschied erkennen. Der Popstar ist sowieso im Multitasking extrem gefordert: So wagt er sich zwischendurch ans Keyboard oder an die Gitarre.
Satte zwei Stunden spielt Justin Timberlake für die Fans. Im Fokus steht dabei vor allem das neue Album „Everything I thought it was“, sein erstes Werk seit sechs Jahren. Fast alle Lieder stehen auf der Setlist, finden aber spürbar weniger Anklang im Publikum. Jeder seiner alten Hits ist dagegen ein Höhepunkt, egal ob „Cry me a River“, „SexyBack“ oder „What goes around … comes around“, das in einer Akustik-Version neues Leben bekommt. Diesen Teil spielt Timberlake passend auf einer kleineren Bühne in der Mitte der Halle, wo er den Fans ganz nah sein kann. Auch „Selfish“ bekommt hier mit der Akustik-Gitarre eine neue Qualität. Von den anderen Tourstationen war bereits bekannt, dass er beim großen Finale zum Song „Mirrors“ auf einem riesengroßen LED-Würfel über den Köpfen der Fans schweben würde. So war es unter anderem in Berlin gewesen. Allerdings bleibt er an diesem ersten Abend in München am Bühnenboden. Ein technischer Defekt oder gesundheitliche Gründe? Dies bleibt offen, weshalb sich in den Sozialen Netzwerken später Enttäuschung breit macht.
Schwamm drüber, an der Stadt kann es nicht gelegen haben. „München hat immer noch einen wichtigen Platz in meinem Herzen“, verrät der Popstar nämlich. Aus dem folgenden Kreischen lässt sich herauslesen: er bei den Fans auch.
MICHAEL HELLSTERN