Sein enormer Erfolg war ihm stes auch suspekt. Und erst spät im Leben nahm Ephraim Kishon (1924-2005) seine Rolle als Zeitzeuge an. © teutopress
So ganz hat Ephraim Kishon nie verstanden, weshalb seine Werke ausgerechnet in Deutschland derart erfolgreich waren. Von den mehr als 40 Millionen Büchern, die er im Lauf seines Lebens verkauft, werden drei Viertel in Deutschland abgesetzt.
Kishon, der heute vor 100 Jahren als Ferenc Hoffmann in Ungarn zur Welt kommt, meint dazu einmal lakonisch, dass es eine gewisse Genugtuung sei, wenn die Enkel jener Leute, die ihn ermorden wollten, bei Lesungen Schlange stehen, um ein Autogramm zu bekommen. Aber erklären könne er es nicht. Es ist auch ein Mirakel.
Der Schriftsteller, der durch wagemutige Flucht die Shoah überlebt und gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auch sowjetische Lager übersteht, landet, ohne ein Wort Hebräisch zu beherrschen, in Israel. Er lernt die Sprache und hat dann mit seinen Kolumnen auf Anhieb als Autor Erfolg. Die „ersten satirischen Kurzgeschichten aus Israel seit 2000 Jahren“, wie Kishon sein Werk ohne falsche Bescheidenheit bezeichnet, werden durch englische Übersetzungen international bekannt. Und im Jahr 1961 erscheint dann die erste Sammlung seiner Satiren auf Deutsch: „Drehn Sie sich um, Frau Lot“. Kongenial übersetzt vom Schriftsteller Friedrich Torberg – der sich auf die englische Ausgabe stützt. Die Deutschen lachen also über die Übersetzung einer Übersetzung. Die legendäre Wendung „die beste Ehefrau von allen“ beispielsweise hat Kishon nie aufgeschrieben, es ist eine Erfindung Torbergs.
In Deutschland stehen bald in fast jedem Haushalt Bücher von Kishon, auf diesen Autor können sich viele Menschen einigen. Und nicht wenige sehen das als eine Art von Versöhnungsarbeit. Als Deutscher einen jüdischen Autor gut zu finden, fühlt sich in der Bundesrepublik richtig an.
Kishon selbst ist da zurückhaltender. Er ist ein wenig betrübt darüber, dass der Erfolg seiner Kurzgeschichten seine Theaterstücke und Filme etwas in den Schatten stellt. Außerdem spricht er viele Jahre nicht allzu gerne über seine Zeit als Verfolgter der Nazi-Diktatur. Erst spät ist er bereit, sich als Zeitzeuge zu sehen und in diesem Sinne Stellung zu nehmen zu Themen wie Rassismus und Intoleranz.
Tatsächlich beschäftigt sich Kishon in seinen Satiren lieber mit den menschlichen Schwächen und Missverständnissen im Miteinander. Dreh- und Angelpunkt ist das dabei das Leben im damals jungen Staat Israel, in dem Einwanderer aus aller Herren Länder zusammengewürfelt werden, die miteinander auskommen müssen: ob sie wollen oder nicht.
Kishons Talent ist es, vermeintlich speziell israelische Eigentümlichkeiten universell verständlich aufzubereiten. Groteske Bürokratie, Handwerker, die spurlos verschwinden, streitlustige Nachbarn oder nervtötende Verwandte gibt es schließlich überall. Der Autor hat das Talent, präzise Alltagsbeobachtungen mit bizarren Einfällen aufzuladen und die Situation dennoch vorstellbar zu gestalten. Egal wie skurril die Szene und verhaltensauffällig die Helden – nichts erscheint völlig unmöglich.
Kishon ist ein Virtuose darin, mit Übertreibung die Wahrheit zur Kenntlichkeit zu verzerren. Der Hund, der beim Toto immer richtig tippt, bis er beginnt, Fußballexperte zu werden und fortan immer falsch liegt. Das Ehepaar, das feststellt, dass getrennte Wohnungen das Rezept für eine konfliktfreie Beziehung sind. Das Festhalten an religiösen Traditionen, ohne sie zu verstehen. Das Gefühl, gerne in seinem Land zu leben, aber von seinen Landsleuten tendenziell eher genervt zu sein, stellt Kishon gerne als typisch israelische Eigenheit dar. Doch selbst das findet sich rund um den Globus. Er selbst liebt Israel, aber er ist immer auch ein leicht snobistischer Mitteleuropäer, dem mediterrane Wurstigkeit suspekt bleibt. Im Alter zieht er in die Schweiz und hadert ein wenig mit der Moderne, wie das ältere Herrschaften eben so zu tun pflegen.
Es ist übrigens gewinnbringend, Kishons Bücher wieder zu lesen. Die Geschichten sind gut gealtert oder genauer gesagt: zeitlos. Auch wenn der Schriftsteller selbst es nie so recht nachvollziehen konnte, gibt es einen einfachen Grund für seinen Erfolg in Deutschland: Seine Texte sind schlichtweg komisch.
ZORAN GOJIC