Klingt gut

von Redaktion

Beim Jazzfestival Saalfelden konnte man wieder einige Entdeckungen machen

Fröhliche Pianistin: Kris Davis. © Matthias Heschl

Im Moos was los: Besucher des Waldkonzerts von Daniel Erdmann. © Rosario Multari

Natürlich gut: Saxofonist Daniel Erdmann begeisterte auch beim Konzert im Wald. © Rosario Multari

Aufmerksames Lauschen: Auch die kleinen Musikfans kamen beim Kinderkonzert im Stadtpark auf ihre Kosten. © Rosario Multari

Beim Jazzfestival Saalfelden hat man seit langem das Credo verinnerlicht, dass es allemal besser ist, interessant zu scheitern, als sich mit risikolosem Gelingen zufriedenzugeben. Das kann im besten Fall zu unwiederholbaren Sternstunden in erst- und einmaligen Musikerkonstellationen führen, im schlimmsten Fall zu bösen Abstürzen. Ein eklatantes Beispiel für Letzteres war die traditionell das Hauptprogramm eröffnende Auftragskomposition, die heuer an die Klarinettistin Mona Matbou Riahi ergangen war. Zwei Elektroniker, E-Bass und die zumeist mit Effektgeräten verfremdete Klarinette blubberten und pluckerten eine Stunde so antriebs- und ideenlos, so ohne jede dynamische Amplitude vor sich hin, dass man sich bang fragte, ob das wohl ein schlechtes Omen fürs ganze Festival ist. War es nicht. Es konnte ja nur besser werden und es wurde deutlich besser.

Diese 44. Festival-Ausgabe war eine der besseren

Mit welcher Souveränität gleich anschließend das Trio von Pianistin Kris Davis mit der Ambivalenz aus Traditionsreverenz und eigensinniger Neudeutung spielte, war beeindruckend. Als danach Saxofonist Daniel Erdmann den deutsch-französischen Beziehungen in seinem länderparitätisch besetzten Sextett Thérapie de Couple eine dank eigenwilliger rhythmischer und melodischer Methoden zielführende Therapie angedeihen ließ, war das Festival wieder in der Spur. Man konnte Entdeckungen machen. Das 13-köpfige holländische Brainteaser Orchestra mit seinen raffiniert-opulenten Quasi-Soundtracks für imaginäre Filme, genauer: leicht schräges Arthouse-Kino, hatte man hierzulande noch ebenso wenig auf dem Zettel wie die charmant-gewitzte Kammermusik des französischen Trios La Litanie des Cimes.

Nicht ganz neu ist die Erkenntnis, dass sich auch aus freier Improvisation ohne thematische, harmonische oder metrische Vorgaben schlüssige Strukturen entwickeln können. Wenn dies aber so bezwingend geschieht wie beim erstmaligen Aufeinandertreffen von Geiger Théo Ceccaldi und Cellistin Tomeka Reid oder im Trio von Pianistin Sylvie Courvoisier mit Ned Rothenberg (Klarinette, Altsax) und Nasheet Waits (Schlagzeug), lässt man sich gerne daran erinnern.

Dass Fehlgriffe nicht ausblieben, liegt (siehe oben) in der Natur der Sache. Bei der indischstämmigen US-Sängerin Amirtha Kidambi hätte man sich gewünscht, dass auf ihre enervierend langatmigen Ansagen, welcher Befreiungs- oder Emanzipationsbewegung ein Stück gewidmet ist, Musik gefolgt wäre, die wenigstens halb so gut ist wie die hehren Absichten. Andererseits wirkte das Zusammentreffen des kompakt-energetischen Rocktrios The Messthetics mit James Brandon Lewis, dem aufgehenden Stern am Tenorsax, wie ein doppelter Espresso um (tatsächlich!) Mitternacht. Und gäbe es einen Sonderpreis für Originalität, wäre er vermutlich ans Synesthetic Octet des Wiener Klarinettisten Vincent Pongracz gegangen, für von fünf Bläsern aufgefächerte, von Olivier Messiaen inspirierte Harmonien über aus dem Hip-Hop abgeleiteten Rhythmen.

Unterm Strich war die 44. Ausgabe sicher eine der besseren in der an starken Jahrgängen nicht armen 20-jährigen Intendanz von Mario Steidl. Man geht bei diesem im deutschsprachigen Raum herausragenden Jazzfestival auf die 50 zu – Ermüdungs- oder Abnutzungserscheinungen sind erfreulicherweise nicht zu erkennen.
REINHOLD UNGER

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