Wie Strauß auf dem Rock-Album landete

von Redaktion

Vor 50 Jahren: Der Brite Robert Calvert besingt die Starfighter-Affäre – mit prominenter Hilfe

Mit dabei: Lemmy Kilmister…

… und Brian Eno. © privat

Das Album „Captain Lockheed and the Starfighters“ erschien vor 50 Jahren.

Wilder Performer: Robert Calvert mit der Band Hawkwind auf der Bühne. © Getty Images

Passionierter Pilot: Franz Josef Strauß steigt im Jahr 1961 in Manching in einen der frisch angeschafften Starfighter – die als „Witwenmacher“ berüchtigt werden. © Sz-Photo

Verrückte Ideen sind im Laufe der Jahrzehnte ja schon einige auf Pop-Platten gebannt worden. Aber Franz Josef Strauß und seine Starfighter-Affäre zum Thema eines komödiantischen Hardrock-Albums zu machen, dafür musste man schon eine besonders blühende Fantasie haben. Zumal, wenn man ein britischer Musiker war wie Robert Calvert, der gerade mit einem Hit die Charts erklommen hatte. Doch vor 50 Jahren kam Calverts Kuriosität „Captain Lockheed and the Starfighters“ auf den Markt.

Der Hit, den er geschrieben hatte, hieß „Silver Machine“, seine Band Hawkwind. Beim Titel des Songs hatte Calvert zwar sein silbernes Fahrrad im Kopf, aber Flugobjekte waren seit jeher seine Leidenschaft. Als der Sänger und Autor zu Hawkwind stieß, modelte er ihr Image in seinem Sinne um – zu einer „Science-Fiction-Rock-Band“. Die treibenden, ausufernden Stücke handelten von Weltraum-Fahrten, die Platten hießen „In Search of Space“ oder „Space Ritual“.

Aufgewachsen war das 1945 in Südafrika geborene Nachkriegskind in der Nähe der US-Luftwaffen-Basis Manston und deren nuklear bestückter Bomber auf der englischen Seite des Ärmelkanals. „Ich bin mit den Starfightern groß geworden“, erzählte Calvert der verwunderten Presse bei Erscheinen der Platte. „Ich musste einfach über sie schreiben.“

Und so kam er offenbar auch auf Franz Josef Strauß. Denn der schillernde Überschall-Flieger F-104 „Starfighter“ (Höchstgeschwindigkeit etwa 2260 km/h) war 1958 auf Betreiben des damaligen deutschen Verteidigungsministers bei der US-Firma Lockheed bestellt worden. Ob dabei Schmiergeld gezahlt worden war, wie einige Quellen nahelegen, ließ sich später nicht nachweisen. Jedoch strotzte der Jäger nur so vor technischen Mängeln. So gingen bis zu seiner Abschaffung 300 Exemplare durch Unfälle verloren, davon 269 durch Abstürze. Einschließlich des letzten Unfalls im Jahr 1984 verunglückten 116 Piloten tödlich (108 Deutsche und acht US-Amerikaner). Im Volksmund hieß der Vogel „Witwenmacher“.

So ist auf der Platte auch ein Song namens „Widowmaker“ zu hören. Doch nicht nur das. Die Eröffnungsnummer trägt den denkwürdigen Titel „Franz Joseph Strauss, Defence Minister, reviews the Luftwaffe in 1958. Finding it somewhat lacking in Image Potential“ („Verteidigungsminister Franz Josef Strauß inspiziert 1958 die Luftwaffe. Er findet, dass es ihr an Imagepotenzial mangelt“). Ein völlig abgedrehter Hörspiel-Schnipsel, der an die Sketche von Monty Python erinnert und von denen es einige auf der Platte gibt.

Allerdings finden sich hier auch astreine Rocknummern. Kein Wunder bei der Band: einem Großteil von Hawkwind – zu denen auch Lemmy Kilmister gehörte, der später mit Motörhead zum coolsten Rocker aller Zeiten avancieren sollte. Dazu Paradiesvogel Brian Eno, der gerade bei Roxy Music ausgestiegen war. Und an den Reglern Produzent Roy Thomas Baker, der wenige Wochen später „Bohemian Rhapsody“ von Queen in Szene setzen sollte.

Warum das Album nicht abhob, sondern kaum Erfolg hatte, ist nicht ganz klar. Insgesamt schwankt es wohl zu unentschlossen zwischen Klamauk und (erstaunlich guter) Musik. Heute wird es immer mal wieder als verschüttgegangener Schatz der Rockgeschichte geadelt. Robert Calvert jedenfalls litt zunehmend an einer bipolaren Störung, weswegen ihn Hawkwind Ende der Siebziger rauswarfen. Er starb 1988 – genau wie FJS.

Es ist übrigens nicht überliefert, dass Strauß sich jemals zu dem Werk der langhaarigen britischen Wilden geäußert hätte. An die Luftnummer Starfighter hätte er wohl eh nicht gerne erinnert werden wollen.
JOHANNES LÖHR

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