Vor fast 60 Jahren gegründet: Pink Floyd, hier 1968 mit (v. li.) Nick Mason, Dave Gilmour, Rick Wright und Roger Waters. © Getty
Liefert einmal mehr brillante Musik ab: David Gilmour. Seine hinreißenden Gitarrensoli und die gut patinierte Stimme sorgen bei Pink-Floyd-Fans für Glücksgefühle. © Anton Corbijn
Als 78-jährige Musiklegende in aller Gemütlichkeit seinen Ruhm genießen? Und die immer gleichen Klassiker zum Besten geben? So läuft das nicht bei David Gilmour. Der einstige Großgitarrist von Pink Floyd ist entschiedener Vertreter des lebenslangen Lernens. 57 Jahre nach dem Start seiner Weltkarriere hat sich der Mann mit dem raumgreifenden Gitarrenklang vorgenommen: „Ich will mich weiterentwickeln.“ Dazu passt, dass er mit seinem erst fünften Soloalbum „Luck and Strange“, das heute erscheint, eine Platte aufgenommen hat, die er für seine „beste Arbeit seit ‚The Dark Side of the Moon‘“ hält.
Der Pink-Floyd-Meilenstein ist 51 Jahre alt, und David Gilmour hat seither eine Menge brillante Musik abgeliefert. Aber wer „Luck and Strange“ mit seinen neun Songs zwischen Prog und Blues hört und genießt, könnte zum Urteil kommen, dass der Engländer vielleicht tatsächlich Recht hat. Natürlich klingt er darauf nach Pink Floyd – und natürlich klingt er nicht nach Pink Floyd. Fast zwei Minuten nimmt sich Gilmour im epischen Abschluss „Scattered“ Zeit für sein hinreißendes Gitarrensolo. Diese Momente sind es, und seine gut patinierte Stimme, die Floyd-Fans Glücksgefühle bescheren.
„Die Zeit ist eine Flut, die auch mir nicht gehorcht“, singt David Gilmour dazu, in einem Text seiner Ehefrau Polly Samson, einer renommierten Poetin. Von ihr stammen die meisten der Geschichten übers Älterwerden und die Vergänglichkeit, die die Platte prägen. Es lohnt sich, sich mit ihren Texten zu beschäftigen – zum Beispiel mit „The Piper’s Call“, einer Anspielung aufs Debüt „The Piper at the Gates of Dawn“ von 1967. Darin erinnert sich Gilmour an die Verlockungen des Ruhms: „Der Weg zur Hölle ist mit Gold gepflastert, werden sie dir sagen. Und sie werden dir all die Dinge verkaufen, die du nicht brauchst.“
Dass das Album bei allen Floyd-Reminiszenzen bemerkenswert frisch klingt, hat neben David Gilmours ewiger Neugier vor allem zwei Gründe. Produzent Charlie Andrew, bekannt durch seine Arbeit mit der Indie-Band Alt-J, hat ihn dazu gebracht, mit jungen Musikern zu arbeiten und seinen Sound zu straffen, zu modernisieren. „Charlie interessiert sich überhaupt nicht dafür, was ich früher gemacht habe“, freut sich der Altstar. „Ich liebe das.“ Außerdem ist die Platte eine wahre Familienangelegenheit. Mehrere von Gilmours acht Kindern waren beteiligt. Tochter Romany, erst 22, singt die Coverversion „Between two Points“ herrlich verträumt und spielt Harfe.
Seine Großfamilie und die neue Band halten David Gilmour so auf Trab, dass er mit der gleichen Besetzung schon das nächste Album plant. Und am 27. September startet im Circus Maximus in Rom eine Tour, auf der der Maestro zwar den einen oder anderen Song von Pink Floyd spielen will – aber eher aus den Sechzigern als aus den Siebzigern. Denn „wir wollen bestimmt nicht wie eine Pink-Floyd-Tributeband klingen“.
JÖRG HEINRICH
David Gilmour:
„Luck and Strange“
(Sony).