Emma Fekete wurde von Francisco Araiza unterrichtet. © ARD
Julie Goussot zieht es ins dramatische Fach. © Klara Beck
Counter-Star Christopher Robson (li.) beim Meisterkurs mit Tenor Suhyeok Kim. © Tobias Hell
Künstlerische Nachhaltigkeit wird beim ARD-Musikwettbewerb großgeschrieben. Auch wenn wir aktuell entgegenfiebern, wer in den Finalrunden wohl die begehrten Preise holen wird, geht es doch um weit mehr als nur um die Plätze auf dem Siegertreppchen. Die machen sich zwar gut im Lebenslauf, sind aber keine Garantie, dass man anschließend auf den Spuren einer Jessye Norman oder eines Thomas Quasthoff wandelt. Auf jeden Fall aber ist der Wettbewerb eine wichtige Plattform für den musikalischen Nachwuchs, der sich hier eben nicht nur dem interessierten Publikum, sondern ebenfalls Künstleragenturen, Konzertveranstaltern und Vertretern wichtiger Orchester präsentiert.
Fester Bestandteil sind seit geraumer Zeit Meisterkurse, in denen die Jury den Ausgeschiedenen die Möglichkeit gibt, an interpretatorischen Feinheiten zu arbeiten, die womöglich das Zünglein an der Waage waren. Sei es in Einzelstunden oder nun vor dem Gesangs-Semifinale bei einem öffentlichen Meisterkurs in der Musikhochschule. Wobei der Sinn der Veranstaltung wohl nicht zu allen im Publikum durchgedrungen war. So gab es gleich zu Beginn den missmutigen Zwischenruf einer Dame, die Francisco Araiza ermahnte, er möge die Sopranistin Emma Fekete doch bitte nicht ständig unterbrechen. Seine prompte Antwort kam ebenso ehrlich und geradeheraus wie die Tipps für seinen Schützling. „Warum ich unterbreche? Weil ich unterrichte! Das ist hier kein Gratiskonzert für Sie, sondern eine Stunde für unsere jungen Sängerinnen, bei der Sie heute zuhören dürfen!“
Sicher, es wäre schön gewesen, den weichen Sopran der jungen Kanadierin noch einmal ungestört zu genießen. Aber dafür gibt es neben dem Youtube-Stream der Vorrunde auch auf ihrer Homepage reichlich Gelegenheit. Und es war umso spannender zu sehen, wie Emma Fekete die Anweisungen ihres Mentors aufnahm und von Mal zu Mal neue Farben auslotete. Dass für sie nach der Vorrunde Schluss war, nimmt sie sportlich. „Jeder hat seine Favoriten, und das ist völlig okay. Wichtig ist für mich vor allem, mir selbst treu zu bleiben. Bei Wettbewerben liegt der Fokus oft sehr auf der Gesangstechnik. Aber ich bin in erster Linie eine Performerin. Ich will mich selbst auf der Bühne präsentieren. Und das ist mir, glaube ich, gelungen.“
Nicht minder spannend war es bei diesem Meisterkurs aber auch, die unterschiedlichen Herangehensweisen der Juroren zu beobachten. Während etwa Francisco Araiza immer wieder auf die historische Gesangs-Bibel des legendären Manuel Garcia verwies, legte sein Kollege Christopher Robson den Fokus auf den emotionalen Gehalt der Arien. „Ich werde nicht über Technik reden, das können andere viel besser als ich. Wir werden uns einfach anhören, was unser großartiger junger Sänger uns anbietet, und danach schauen wir, wohin wir die Musik noch bringen können.“ Und tatsächlich vermochte auch er bei Tenor Suhyeok Kim durch konsequentes Nachfragen und Nachbohren in der Textgestaltung neue Nuancen freizulegen, durch welche die sicheren Koloraturen des Koreaners eine neue, tiefere Bedeutung bekamen.
Eine der schönsten Beobachtungen war jedoch der kollegiale Zusammenhalt zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten, den auch Sopranistin Julie Goussot im Gespräch hervorhob. „Die Vorrunden von Bläserquintett und Cello zu hören, war für mich unglaublich inspirierend. Ich genieße meine Zeit in München. Aber ich bin auch hier, um die anderen Kandidatinnen und Kandidaten kennenzulernen und zu unterstützen. Das gehört schließlich zu unserem Beruf als Musiker. Es geht nur gemeinsam!“
Für Julie Goussot ist es nicht der erste Wettbewerb, wohl aber einer der anspruchsvollsten. Allein was die Bandbreite des Repertoires betriff. Da sei es vor allem wichtig gewesen, aus jeder Epoche etwas zu finden, das zur eigenen Stimme passt, meint sie. Bei der Arbeit an der Arie aus Puccinis „Edgar“ wird sehr schnell klar, in welches Fach es für die junge Französin gehen dürfte. Und auch Francisco Araiza zeigt sich begeistert. „Du hast eine große, volle Stimme. Versteck sie nicht! Zeig sie uns!“ Dass es für das dramatische Fach ein solides Fundament braucht, ist Goussot bewusst. Weshalb sie nicht forcieren und auf ihre Stimme hören will. Karrieren brauchen auch Zeit. Und nur zur Erinnerung: Selbst ein späterer Weltstar wie Renée Fleming hatte es hier einst nicht über die Vorrunden hinausgeschafft, aber den ARD-Wettbewerb als lehrreiche Erfahrung mitgenommen. Eine positive Einstellung, die Emma, Julie und Suhyeok teilen.
TOBIAS HELL