Die Neuen im Ensemble des Volkstheaters – in der Rolle von Popstars: (v. li.) Nina Noé Stehlin als Miley Cyrus, Maximilane Haß als Taylor Swift, Jawad Rajpoot als Apache 207, Nils Karsten als Eminem, Lena Brückner als Billie Eilish und Cedric Stern als Harry Styles. © Gabriela Neeb
Die Stadt München hat das Volkstheater zum Sparen verdonnert. „Noch geht’s“, sagt Intendant Christian Stückl.
„Wir stehen nicht am Abgrund“, sagt Christian Stückl, als es um ihn arg still geworden ist. Die Journalistenschar, die zur Spielplan-Pressekonferenz ins Münchner Volkstheater gekommen ist, schweigt erschrocken. Aufmunternd betont der Intendant: „Ich freue mich auf diese Spielzeit!“ Weshalb die Theater-GmbH von der Stadtverwaltung und -politik auf den Abgrund zugeschoben wird, das steckt in der Zahl 2,9 Millionen Euro.
Diese Summe soll Knall auf Fall eingespart werden. Und wenn das so weitergehe, könne er nicht mehr wirtschaften, erklärt Stückl sichtlich in Rage. Nicht nur, dass München die zehnprozentige Tariferhöhung nicht wie sonst aufgefangen habe – Miete von 2,5 Millionen Euro löhne man ohnehin –, sondern es wurde bereits rund eine Million Euro in der vergangenen Saison abgezogen. Und zwar von den Rücklagen, die Stückl und sein Team durch sparsames Planen aufgebaut hatten.
Der Betriebsmittelzuschuss von 18,25 Millionen Euro schrumpft wie das Selbsterwirtschaftete, das eigentlich für die Kunst vorgesehen war. Schlimm, dass von der Stadt zunächst die Info kam, dass die Zwangsmaßnahme einmalig sei, nun „schwirrt eine Zahl von 1,7 Millionen herum“. Man solle in einer Spielzeit 2,9 Millionen abgeben, rechnet der Intendant vor. „Wir sind voll bereit zu sparen“, so Stückl. „Noch geht’s. Nach zwei, drei Jahren müsste ich allerdings total umstrukturieren und Leute entlassen.“ Das will Christian Stückl auf keinen Fall.
Der Intendant wird kämpfen – nicht nur für sein Haus allein. Das unterstreicht er immer wieder: „Es geht um die gesamte Kultur! Und bei der wird überproportional gekürzt.“ Die Unsicherheit für den Intendanten ist riesig. „Wir haben keine Perspektive!“ Zufrieden ist er mit dem Erreichten: „Wir sind im Neubau zwar noch im Aufbau, haben über 80 Prozent Auslastung und die Eigendeckung gesteigert.“
Vor den deprimierenden Aussichten machten Stückl und das Team Lust auf die Premieren und Projekte für den Herbst 2024 und das erste Halbjahr 2025. Zu diesem Lust-Machen gehört natürlich das fetzige Magazin „Volksmund“, das unter anderem die sechs Schauspiel-Neuzugänge (vier aus dem Ensemble gehen) präsentiert – in Gestalt diverser Popstars von Taylor Swift bis Apache 207. Feste Größen bleiben, wie das Festival „Radikal jung“, die Konzerte (etwa mit Malva) und Lesungen (Hape Kerkeling) und die Zusammenarbeit mit Schulen für den „Tag der Quellen und Gespräche gegen das Vergessen“.
Auf der Bühne geht’s, wie berichtet, am 26. September mit „The Lobster“ (Hummer) los. Regisseurin Lucia Bihler und Dramaturgin Hannah Mey haben den schrägen und abgründigen Film von Yorgos Lanthimos und Efthimis Filippou dramatisiert. Stückl kommentiert schmunzelnd, dass es nicht leicht gewesen sei, einen Spielplan zu entwickeln und damit „an unserer Zeit dran zu sein. Auf meinem Schreibtisch landen oft Texte, bei denen ich sag‘: Werd des was? Meistens werd’s was!“ Zwei Tage später folgt die Surrealität Nummer zwei mit „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ (nach Ottessa Moshfegh; die Regie führt Katharina Stoll).
Vier Ensemblemitglieder wollen es einmal ohne Regie(-Gängelung) packen und bringen am 9. Oktober „Fünf Minuten Stille“ (Leo Meier) heraus. Der Hausherr wagt sich an Daniel Kehlmanns Roman „Lichtspiel“ über den Regisseur W.G. Papst und seine Verstrickung mit Nazi-Größen (Premiere am 24. Oktober). Im Februar tritt Christian Stückl erneut als Regisseur in Aktion, weiß indes noch nicht, was er inszenieren wird. Genauso hält es Philipp Arnold. Jedenfalls wird das Werk „Unsterblichkeit oder: Die letzten sieben Worte Emilia Galottis“ von Arna Aley über „eine durchgeknallte Adelsgesellschaft“ am 15. November uraufgeführt.
Ab Winter sind die Bühnenversion von John Steinbecks „Früchte des Zorns“ zu erleben (Max Lindemann), Albert Camus‘ Drama „Caligula“ (Ran Chai Bar-zvi) und Anaïs Clercs „Faulender Mond“ (Simon Friedl). Dessen Absurdität und Politik, wie Dramaturgin Hannah Mey erklärt, tauchen ebenfalls in Eugène Ionescos Klassiker „Die Nashörner“ (Anna Marboe) auf. Da sind wir schon im Frühling 2025, der Besonderes bietet: ein Tanztheaterstück, ausgeheckt von Serhat Said Perhat (Breakdance) und Sophie Haydee Colindres Zühlke sowie „Offene Wunde“ von Tunay Önder und Christine Umpfenbach. Sie greifen ähnlich wie Talya Feldmans Film „Wir sind hier“ im NS-Dokuzentrum das rassistische Attentat am Olympiaeinkaufszentrum 2016 aus dem (Nach-)Leben der Ermordeten und ihrer Lieben auf.
SIMONE DATTENBERGER
Infos unter
muenchner-volkstheater.de.