Gerührt: Aurora Marthens belegt Platz zwei. © Daniel Delang
Intensiv: Mira Alkhovik belegt den dritten Platz. © Delang
Eindrucksvoll: Als einziger Bariton brachte Samueol Park eine eigene Farbe ins Programm des Finales. Und gewann. © Delang
Sichtbare Freude: Als die Jury-Vorsitzende Waltraud Meier (re.) verkündet, dass Aurora Marthens (2.v. li.) auch den Publikumspreis gewinnt, jubelt diese aus vollem Herzen. © Daniel Delang
„Uff!“ Das ist der erste Laut, der aus der Jury-Vorsitzenden Waltraud Meier herausbrach, als sie am Final-Wochenende des ARD-Musikwettbewerbs die Preise im Fach Gesang zu verkünden hatte. „Das waren wirklich intensive Tage, die wir hier gemeinsam verbracht haben als Jury. Wir waren oft einer Meinung – ganz erstaunlich – und manchmal auch nicht, wie das eben so ist. Aber die Würfel sind gefallen.“ In den Ohren der Jurorinnen und Juroren war der Südkoreaner Samueol Park derjenige, der im Verlauf des Wettbewerbs die konstanteste Leistung gebracht hatte – und der dafür den ersten Preis mit nach Hause nehmen darf.
Als einziger Bariton in einem zuvor von Tenor- und Sopran-Lage dominierten Finale brachte er in der Isarphilharmonie naturgemäß eine ganz eigene Farbe ins Programm. Zunächst mit Händels „Messiah“, ehe er sich über Mozarts „Figaro“ langsam in jenes Fach vortasten durfte, in dem sich seine Karriere wohl künftig wird. Bei der Arie des Ford aus Verdis „Falstaff“ konnte Park seine Stimme frei nach oben strömen lassen. Wobei er nicht nur auf der Textebene subtile Nuancen herauskitzelte, sondern den rasch wechselnden Emotionen des gehörnten Ehemanns auch gesanglich immer neue Farben verlieh.
Wie schon in den Fächern Bläserquintett und Oboe ging aber nun auch beim Gesang der Publikumspreis wieder am Liebling der Jury vorbei. Bei der Abstimmung im Saal hatte man nämlich eher die Zweitplatzierte Aurora Marthens ganz oben auf dem Treppchen gesehen. Was nach dem laustarken Applaus für ihre Interpretation der „Hallenarie“ aus „Tannhäuser“ keine allzu große Überraschung war. Angesichts der Ovation, die für sie bei der Verkündung aufbrandete, gab es da auch keine allzu große Enttäuschung über die Silbermedaille. „Ich bin froh, dass ich hier meine Vielseitigkeit und auch ein bisschen von meiner verrückten Seite zeigen durfte. Und ich freue mich wahnsinnig, wenn das bei euch im Publikum angekommen ist.“
Wie für Samueol Park dürfte auch die Zukunft der finnischen Sopranistin wohl eher im dramatischen Fach liegen. Dass das Reglement des Wettbewerbs im Finale drei Arien aus drei Stilepochen verlangt, mag zwar auf dem Papier nach Chancengleichheit aussehen, doch sind Stimmen eben deutlich individueller gefärbt als Orchester-Instrumente. Weshalb die Spannung eher darin lag, wie sich die beiden in der Wertung Führenden in die Klangwelten des Barock einfinden würden. Eine Herausforderung, die viele Ensemble-Mitglieder deutscher Staats- und Stadttheater nachfühlen können.
Auch Aurora Martens war bei der koloraturreichen Arie der Cleopatra durchaus eine leichte Anspannung anzumerken, die sich bei der „Figaro“-Gräfin hörbar löste. Und bei Wagner war schließlich nur noch die überschwängliche Freude zu hören, bei der zwischen der Rolle und den Emotionen der Interpretin kaum noch Unterschiede auszumachen waren.
Den einzigen direkten Vergleich erlaubte im Finale das „Lied an den Mond“ aus „Rusalka“, das sich sowohl Lucia Tumminelli als auch Mira Alkhovik ausgesucht hatten. Und obwohl sich hier der dunkel timbrierte Sopran der Italienerin deutlich tiefer ins Gedächtnis eingrub, war es letztlich ihre russische Fachkollegin, die den dritten Preis mit nach Hause nahm und zusätzlich noch für die beste Interpretation der diesjährigen Auftragskomposition ausgezeichnet wurde.
Nicht unerwähnt bleiben soll aus lokalpatriotischer Sicht natürlich auch Tenor Aleksey Kursanov aus dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, der zur moralischen Unterstützung einige Ensemblekollegen seines Hauses mit im Saal hatte. Dass es auf den letzten Metern hauchdünn nicht mehr gereicht hat, ist schade für den gebürtigen Russen, der sich gerade bei seiner Arie aus Berlioz’ „Les Troyens“ stilistisch makellos präsentiert hatte. Mit ihm schmücken darf sich Münchens erstes Opernhaus aber dennoch. Hatte man nach Milan Siljanov 2018 nun mit Kursanov bereits zum zweiten Mal in kurzer Folge einen Finalisten aufzubieten, von dem man in Zukunft noch einiges hören dürfte.
TOBIAS HELL