INTERVIEW

Von dieser Frau können wir lernen

von Redaktion

Kate Winslet glänzt als Lee Miller in „Die Fotografin“

Hatte den Mut, dort hinzureisen, wo es wehtut: Kriegsfotografin Lee Miller (1907-1977). Szene aus dem Kinofilm „Die Fotografin“, in dem Kate Winslet Lee Miller spielt. © Kimberley French/dpa

„Ich erhoffe mir von unserem Film, dass er einer jüngeren Generation von Frauen zeigt, welch starke Person Lee Miller war – sie kann ihnen ein Vorbild sein“, sagt Kate Winslet. Hier bei ihrem Besuch beim Filmfest München im Sommer. © Felix Hörhager/dpa

Acht Jahre lang hat Kate Winslet für dieses Projekt gekämpft. Und das hat sich sehr gelohnt. An diesem Donnerstag startet „Die Fotografin“ in den deutschen Kinos (die Kritik lesen Sie in der Donnerstagsausgabe). Ein im besten Sinne aufwühlendes Werk über die US-amerikanische Kriegsfotografin Lee Miller (1907-1977). Kate Winslet hat den Film produziert und spielt selbst uneitel diese ungestüme, unabhängige, sturköpfige Frau, deren Name meist in einem Atemzug mit dem des Fotografen Man Ray (1890-1976) genannt wird. Sie war seine Schülerin und Muse. Doch auch so viel mehr: eine mutige Kämpferin für Humanität, eine, die die Macht der Bilder nutzte, um die unfassbaren Gräueltaten der Nationalsozialisten fassbar zu machen. Lee Miller reiste als Frau mitten hinein in die von Männern geführten Kämpfe des Zweiten Weltkriegs. Sie war bei der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau dabei und dokumentierte mit ihrer Kamera das, von dem niemand gewusst haben wollte. Im Rahmen des diesjährigen Filmfests München feierte das Werk seine Premiere. Wir trafen die 48-jährige Kate Winslet, die einst durch James Camerons Über-Hit „Titanic“ (1997) Weltruhm erlangte, zum Gespräch im Bayerischen Hof.

Acht Jahre lange haben Sie sich intensiv mit Lee Miller beschäftigt. Gibt es etwas, was Sie gern von ihr wissen würden, eine Frage, die Sie bei aller Recherche nicht beantworten konnten?

Ich glaube, inzwischen weiß ich wirklich alles über sie. Da ist nur diese eine Sache: Sie hasste ihre Zähne – und die waren tatsächlich schrecklich. Es gibt von ihr als Model keine Aufnahmen, auf denen sie ihre Zähne zeigt, ihr Mund ist immer geschlossen. Ich würde sie also vermutlich fragen: Hey, wenn du deine Zähne dermaßen hasst, warum hast du sie nicht richten lassen? Denn ich weiß, dass sie einer jungen Frau, einer engen Freundin der Familie, die schrecklich schüchtern war und grässliche Zähne hatte, die Behandlung bezahlt hat. Sie sogar persönlich zum Zahnarzt nach London gebracht und sich darum gekümmert hat, dass deren Zähne gerichtet werden. Ich würde Lee Miller also vermutlich etwas ziemlich Bescheuertes wie dies fragen.

Hat sich Ihr Verhalten als fotografierte Person verändert durch den Film?

Vielleicht hat es unterbewusst ein bisschen Einfluss gehabt. Wenn ein Foto von mir gemacht wird und ich das Gefühl habe, dabei nicht als Mensch, sondern nur als Objekt gesehen zu werden, sage ich Nein. Deshalb ziehe ich auch nicht mehr diese kleinen Kleidchen an, Schluss damit. Denn es ist mir wichtig, dass jüngere Frauen in keiner Weise einen Druck verspüren, so auszusehen wie perfekt gestylte Ladys auf den roten Teppichen. Leute, wenn ich auf einem roten Teppich bei einem großen Event bin, sitze ich vorher dreieinhalb Stunden in der Maske für Haar und Make-up und das Kleid ist zuvor passgenau für mich angefertigt worden. Das hat nichts mit der Realität zu tun.

Trotzdem spüren viele Frauen genau diesen Druck, einem unerreichbaren Schönheitsideal nachzueifern.

Stimmt. Wir verschwenden so viel Zeit. Damit, uns zu schämen, uns anzuschauen, kritisch zu betrachten, zu bewerten, uns zu vergleichen und immer zu finden, wir würden schlecht aussehen. Ich möchte nicht auf mein Leben zurückblicken und mir sagen: Warum habe ich so viel Zeit und Energie damit verschwendet, über diesen Schwachsinn nachzudenken? Ich möchte einfach mein Leben leben. Das ist mein Ratschlag: Lebe dein Leben und sei fröhlich. Es ist eine harte Welt, aus vielen Gründen. Aber wir können uns so glücklich schätzen: Wir sind sicher. Wir können laufen, wir können sprechen, wir können mit unseren Augen sehen. Ich habe gesunde Kinder. Was ich sagen möchte: Nutze deine Energie dazu, etwas Nettes zu tun, sei nett zu dir selbst und zu anderen. Verschwende deine Zeit nicht damit, dich selbst ständig kritisch zu hinterfragen.

Lee Miller war eine solche Frau, die selbstbewusst ihren Weg gegangen ist. Warum wollten Sie ihre Geschichte erzählen?

Weil sie fast völlig in Vergessenheit geraten ist: diese Frau, die solch Unfassbares geleistet hat. Immer erinnerte man sich an sie als „Ex-,Vogue‘ -Model“ oder „Muse von Man Ray“. Dabei war das nur ein ganz, ganz kleiner Teil ihres Lebens. Es sind die Bilder, die die Leute im Kopf haben, ehe sie erfahren, wer sie wurde und als welche Person sie in Erinnerung bleiben wollte. Lasst uns einfach mal auf die Labels, die Zuschreibungen, die Etiketten verzichten. Lasst uns neu anfangen und sehen, wie vielschichtig sie war, wie sie sich innerhalb einer gewaltvollen Welt von Männern durchgesetzt hat. Was ich mir vom Film erhoffe, ist, dass eine jüngere Generation von Frauen, die vielleicht noch nie von Lee Miller gehört haben, sie nur als diese starke Person kennenlernen. Sie kann uns allen ein Vorbild sein.

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