„Das ist keine Subvention, es ist eine Investition in die Zukunft unserer Demokratie“, betonte Kulturministerin Claudia Roth gestern in München zum Ankauf des Bildes. © kjk
Im Jahr 1911 entstand Picassos „Femme au violon“, ein Schlüsselwerk des Kubismus. © Succession Picasso/VG Bild-Kunst
Eine Sensation: Picassos „Femme au violon“ (1911). Hier hängen Mitarbeiter der Pinakothek der Moderne das Gemälde an seinen neuen Platz in der Sammlung Moderne Kunst. © Magdalena Henkel/dpa
Kurz muss Markus Blume schlucken. „Als ich hörte, der Preis für diese Neuerwerbung sei moderat“, meint Bayerns Kunstminister gestern Mittag schmunzelnd in der Pinakothek der Moderne. Denn auch wenn hier niemand verrät, was dieser „Jahrhundert-Ankauf“ für die Sammlung Moderne Kunst gekostet hat: Picassos „Femme au violon“ ist ein Schlüsselwerk des Kubismus, für die Kunstgeschichte nicht zu überschätzen. Und entsprechend hoch bewertet. Öl auf Leinwand, 92 mal 65 Zentimeter groß. Um eine Ahnung von dem monetären Wert auf dem Kunstmarkt zu bekommen, verweist Sammlungsdirektor Oliver Kase auf die Versteigerung eines anderen kubistischen Picasso-Werkes in New York vor zwei Jahren; mit rund 46 mal 33 Zentimeter nur halb so groß wie die Dame mit Violine, erzielte „Buffalo Bill“ damals rund zwölf Millionen US-Dollar. Doch bevor weniger kunstliebende Steuerzahler Schnappatmung bekommen und sich sorgen, dass hier die Millionen im dreistelligen Bereich herausgehauen wurden, betonen bei dieser feierlichen Hängung der „Femme au violon“ alle Beteiligten, dass man mit den einstigen Besitzern einen wirklich akzeptablen Preis ausgehandelt habe.
Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, nennt’s entsprechend „eine andere Form von Mäzenatentum“. Denn diese Familie, die anonym bleiben möchte, und in deren Sammlung sich das bedeutende Gemälde vom großen Pablo Picasso (1881-1973) bisher befand, hätte es auch auf den internationalen Markt geben – und ein Vielfaches erzielen können. Dass sie es nicht tat, ist ein Geschenk an uns alle. Sonntags für nur einen Euro und auch unter der Woche zu Spottpreisen kann man es sich jetzt in Saal 29 der Pinakothek der Moderne anschauen. Oliver Kase hat hier ein Zimmer wie aus dem Kubismus-Lehrbuch eingerichtet. Sämtlich aus dem Bestand der eigenen beeindruckenden Sammlung – kann nicht jedes Haus einfach so aus dem Ärmel schütteln.
Dass man es in München kann, liegt daran, dass der Kubismus hier bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Sternstunde erlebte. Auch dank eines Mannes, dessen Porträt ebenfalls im Raum hängt: Der Galerist Heinrich Thannhauser (1859-1934) organisierte im Februar 1913 in seiner „Modernen Galerie“ in der Theatinerstraße 7 die weltweit erste Picasso-Retrospektive. Dort, wo sich heute die Trambahn nach den Fünf Höfen um die Kurve schlängelt, wurden insgesamt 114 Werke des spanischen Künstlers ausgestellt. Der war gerade einmal 31. Unter den Arbeiten auch die „Frau mit Violine“ – die heute so viel wert ist wie damals alle Werke zusammen.
Diese kuriose Rechnung erzählt viel über den immer absurder werdenden Kunstmarkt. Und verdeutlicht, warum ein solcher Ankauf eines öffentlichen Hauses so wichtig ist. Würden sich nicht wie hier der Freistaat Bayern, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Kulturstiftung der Länder, die Würth-Gruppe, die Ernst von Siemens Kunststiftung und Einzelförderer Fritz Schäfer (Schweinfurt) zusammentun, um die finanziellen Mittel gemeinsam aufzubringen, würden irgendwann alle bedeutenden Werke der Kunstgeschichte in den Villen und Depots der Ultrareichen verschwinden, zu sehen nur für eine winzige Elite. Oder wie es Kulturministerin Claudia Roth (Die Grünen), die gestern für die Enthüllung des Ankaufs nach München angereist ist, formuliert: „Das ist keine Subvention, das ist eine Investition in die Zukunft unserer Demokratie.“
Eine, für die man sich Zeit nehmen sollte. Denn die Kubisten, diese Formenzauberer, machen es uns nicht ganz leicht. Hier müssen auch die Betrachter zum Enträtseln der Motive schöpferisch tätig werden und ihre Fantasie anschmeißen. Wer es tut, der sieht in diesem einzigartigen Bild, in dem sich das Objekt fast aufzulösen scheint, mehr und mehr die Frau, die da Violine spielt. Im Saal 29 umgeben von weiteren musizierenden Damen. George Braques „Frau mit Mandoline“ (1910) etwa stimmt wenige Meter weiter mit ein. Wie Picassos Lady hat auch sie einen neuen Bilderrahmen spendiert bekommen. Roth verbeugt sich spontan vor so viel Kunst-Genie – „bei manchen Dingen können wir es uns nicht leisten, sie uns nicht zu leisten“.
KATJA KRAFT