Mit weitem Blick

von Redaktion

„Anton Bruckner – Im Reich der Töne“ erzählt von einem spannenden Projekt

Klangforscher bei der Arbeit: der Münchner Organist Hansjörg Albrecht (li.) und Tonmeister Martin Fischer. © Delicate + Jesch

Der österreichische Komponist Anton Bruckner hätte heuer seinen 200. Geburtstag gefeiert. © Delicate + Jesch

Christian Thielemann scheint außer sich. „Ich war ganz fassungslos, wie gut das ist“, sagt der Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden in Berlin an einer Stelle dieses bemerkenswerten Films über ein bemerkenswertes Vorhaben, das für ihn einfach ein „epochales Projekt“ ist.

Der Dirigent und Organist Hansjörg Albrecht hat alle Sinfonien des österreichischen Komponisten Anton Bruckner (1824-1896) als Orgeltranskriptionen eingespielt – und zwar an jenen Instrumenten und Orten, an denen Bruckner lebte, arbeitete, konzertierte. Vier Jahre hat sich Albrecht, der in München lange den Bach-Chor geleitet hat, diesem Unterfangen gewidmet; vollendet hat er es heuer, schließlich gedachte die Musikwelt gerade Bruckners 200. Albrecht wurde bei seiner musikalischen Reise von den Münchner Filmemacherinnen Jenny Scherling und Vanessa Daly begleitet.

Die beiden Regisseurinnen stellen ihren Dokumentarfilm „Anton Bruckner – Im Reich der Töne“ am Sonntag nun im Neuen Maxim in München vor. Die Produktion führt tief hinein in Albrechts Arbeit, in sein Denken, seinen Zugang zu und sein Verständnis von Bruckners sinfonischem Schaffen. Dass dies auch für all jene im Publikum interessant ist, die nicht Musikwissenschaft studiert haben, liegt nicht zuletzt an der guten Auswahl der Gesprächspartner. So kommen nicht nur Albrecht und Thielemann, der Schirmherr der Einspielungen ist, zu Wort, sondern auch die Organisten und Bruckner-Experten Erwin Horn und Eberhard Klotz, der Dirigent Martin Haselböck oder die Komponisten Philipp Maintz und Enjott Schneider, die sich für die beim Label Oehm Classics erschienenen CDs auf ihre Art mit dem Jubilar beschäftigt haben. Sie alle erzählen anschaulich und finden in den Gesprächen immer wieder wunderbar einleuchtende Bilder, etwa jenes vom Organisten als „lebendem Plattenspieler“ seiner Zeit.

Optisch feiert der Film die Opulenz der Orgel. Gedreht wurde etwa in München (St. Peter und St. Margaret), in London (Westminster Cathedral), in Paris (Saint-Étienne-du-Mont), in Wien (Konzerthaus und Musikverein) sowie, logisch, im Linzer Brucknerhaus. Immer schwebt die Kamera wie auf einer Klangwolke entlang der jeweiligen Instrumente, bevor sie Details in den Fokus rückt. Daly hat „Anton Bruckner – Im Reich der Töne“ angenehm entschleunigt geschnitten und montiert, was nicht nur die Konzentration auf die Aussagen der Interviewpartner erleichtert. Die Produktion gibt vielmehr auch der Musik Raum zur Entfaltung und findet – mitunter sogar in der Natur – einen überzeugenden visuellen Ausdruck für die Macht der Töne, der seine Wirkung gerade auf der Kinoleinwand entfaltet. Für die „räumliche Weite“ in Bruckners Musik, von der die Experten sprechen, hat das Regie-Duo wunderschöne Bilder aufgenommen.

Jeder musikalische Dokumentarfilm steht und fällt freilich mit der Tonspur. Man kann nur vermuten, wie mannigfaltig das Material war, das dem Team der jungen Produktionsfirma Delicate + Jesch zur Verfügung stand. Andreas Scherling ist es geglückt, aus den unterschiedlichen Aufnahmen einen Mix zu destillieren, der aus einem Guss zu sein scheint.
MICHAEL SCHLEICHER

„Anton Bruckner – Im Reich der Töne“

läuft an diesem Sonntag, 11 Uhr,
in München im Neuen Maxim, Landshuter Allee 33; Karten unter www.neues-maxim.de.

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