AUSSTELLUNG

Volkskunst zum Volksfest

von Redaktion

Das Oberammergau Museum zeigt zauberhafte Schnitzarbeiten

Sein helles Licht schon angezünd‘: Bergmann-Leuchter. © Museum

Damit ein jeder weiß, wo sein Platz ist: Tischaufsteller, gefertigt im Jahr 1940 von Max Schanz. © Sabine Rommel

Nicht nur zur Weihnachtszeit begeistert diese Pyramide. © Zahn

Da wird einem warm ums Herz: Striezelmarktkinder, nach einem Entwurf von Max Schanz, gefertigt in den 1930er-Jahren in Seiffen im Erzgebirge. © Sabine Rommel/Oberammergau Museum

Und dann durfte man an einem kalten Winterabend zum ersten Mal selbst die Kerzen an der Pyramide entzünden. Voller Ehrfurcht vor diesem kleinen Wunder: Kaum flackert die Flamme, setzt sich die hübsche dreistöckige Holzkonstruktion in Bewegung. Kindliches Staunen, alle Jahre wieder.

Ein wohlig warmes Gefühl macht sich im Herzen breit, wenn man dieser Tage ins Oberammergau Museum spaziert. Sofort kommen die Bilder. An Mutters alte Kisten, in denen die Holzfigürchen lagern. Eine jede fein säuberlich in Zeitungspapier eingewickelt, das über die Jahre schon ganz weich geworden ist. Am ersten Adventssamstag das feierliche Entwickeln. Die Familie schmückt gemeinsam das Haus, das Weihnachtsoratorium tönt in allen Räumen, und mit einem Mal stehen, sitzen, liegen in sämtlichen Winkeln Engel, Chöre, Kerzenträger – es weihnachtet sehr.

„Stimmt, heute sind wir bei der Volkskunst aus dem Erzgebirge und Oberammergau gedanklich gleich beim Mythos des deutschen Weihnachtslandes“, sagt Constanze Werner, Direktorin des Oberammergau Museums. Während in München an diesem Samstag das größte Volksfest der Welt beginnt, feiert sie in ihrem kleinen feinen Haus die Volkskunst. Aber eben nicht nur die Engel und Pyramiden, sondern auch und insbesondere die bunten, lustigen und verspielten Seiten der Arbeiten aus Oberammergau und dem Erzgebirge. Schaukelpferde, Hampelmänner, Würfelspiele. Keine billige Massenproduktion wie heute – im 19. Jahrhundert entwickelte sich Volkskunst zu einem feststehenden Begriff am Schnittpunkt von Kunst und Handwerk. Weil sich die bergigen Regionen nicht für Landwirtschaft eigneten, waren die Menschen im Erzgebirge wie in Oberammergau auf einen Nebenverdienst angewiesen. Die Schnitzereien und Drechselarbeiten wurden ein wesentlicher Teil für das täglich Brot.

Constanze Werner hat sich aufgemacht und mehr als 150 Leihgaben aus privaten Sammlungen zusammengetragen. Klingt schnöde, war aber ein kleines Abenteuer. „Die Welt der Sammler von alten Spielzeugen ist ein Kosmos für sich“, sagt die Museumschefin schmunzelnd. Einmal sei sie in ein Haus gekommen, da habe man sich nur noch mit eingezogenem Kopf durch die Flure zwängen können. Alle Räume über und über voll von verspielten Holzarbeiten. Während die meisten Kinderzimmer heute ganz ähnlich aussehen, waren die Spielzeuge, die jetzt im Museum zu sehen sind, zu ihrer Entstehungszeit im 19. Jahrhundert Kostbarkeiten. Viele ältere Besucherinnen und Besucher kommen ins Schwärmen und erinnern sich noch genau, wie das war, wenn dieser eine Karton mit geschnitzten Märchenfiguren herausgeholt und zum Spielen freigegeben wurde. „Doch weil sie so kostbar waren, nur unter Aufsicht. Manchmal klingt es in den Erzählungen so, als sei das Schönste eigentlich das Entpacken gewesen, das richtig zelebriert wurde.“ Und so reflektiert diese liebevoll eingerichtete, kunterbunte Ausstellung auch die Frage, wie sich Spielen über die Jahrhunderte gewandelt hat.

Das Aufkommen von günstigerem Blechspielzeug läutete das Ende der goldenen Ära ein. „Der erste Niedergang dieser Schnitzkunst beginnt in den 1870er-Jahren. Mehr und mehr konzentrierte man sich in Oberammergau stattdessen aufs Sakrale. Doch mit der zunehmenden Säkularisierung in den 1970er-Jahren wurden auch die Kruzifixe und Andachtsfiguren nicht mehr derart nachgefragt.“ Waren es einst rund 300 Schnitzer im Dorf, sind es heute nur noch etwa zehn. Anders im Erzgebirge. Zur Vorbereitung der Schau ist Werner erstmals ins dortige Seiffen gereist. „Da habe ich gedacht, mir fallen die Augen aus. Das ist wie ständiger Christkindlmarkt.“ Denn wenn die Zeit von geschnitzten Spielfiguren weitgehend vorbei ist – die magische Weihnachtskiste bleibt. Mit all ihren hölzernen Bewohnern, die einmal im Jahr dafür sorgen, dass die dunklen Tage ein bisschen heller funkeln.
KATJA KRAFT

Bis 3. November

Di. bis So. 10-17 Uhr;
Dorfstraße 8, Oberammergau.

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