Unfreiwillige Vorbild-Funktion: die Muslimin Saba-Nur Cheema (li.) und ihr Mann Meron Mendel, der Jude ist, heuer bei einem Auftritt in Berlin. © Bernd von Jutrczenka/Picture Alliance
Seit den Pager-Attacken Anfang der Woche hat der Nahostkonflikt eine weitere Verschärfung erfahren. Umso größer war die Aufmerksamkeit, mit der am Donnerstagabend im Werk*raum der Münchner Kammerspiele die Lesung zum Buch „Muslimisch-jüdisches Abendbrot“ wahrgenommen wurde. Auch die der Polizei, die vor Beginn unauffällig, aber doch sichtbar Präsenz zeigte.
Das Ehepaar Saba-Nur Cheema und Meron Mendel aus Frankfurt am Main, sie Politikwissenschaftlerin und Antirassismus-Trainerin, er Professor für Soziale Arbeit und Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, stellten ihren gemeinsam verfassten Essay- und Kolumnen-Band vor. Die witzigen, klugen und scharfsinnigen, zuvor in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichten Artikel allein dürften allerdings nicht der Grund für die Anwesenheit der Beamten gewesen sein. Die Tatsache, dass Saba-Nur Cheemas Familie aus Pakistan stammt und sie Muslimin ist, während Meron Mendel im israelischen Kibbuz aufgewachsener Jude ist und beide als interkonfessionelles Paar in diesen Zeiten der höchsten Anspannung zwischen Juden und Muslimen als absolute Exoten gelten, vermutlich eher.
„Wenn die Menschen uns zusammen sehen, gibt es entweder große Freude oder große Trauer. Nur als normal wahrgenommen werden wir nicht“, beschreibt es Saba-Nur Cheema zu Beginn ganz nüchtern.
Schauspielerin Maren Solty aus dem Ensemble des Hauses liest zwei Kolumnen vor, die einen guten Einblick in den komplexen Kosmos geben, der den Alltag des Ehepaars bestimmt. Da wird die Erziehung des Sohnes schnell ebenso zum Politikum wie die Dekoration des Weihnachtsbaums oder das sonntagabendliche „Polizeiruf“-Schauen.
Tatsächlich gehen die zwei mit ihrer unfreiwilligen Vorbild-Funktion recht entspannt um, stellt man in ihrem Gespräch mit Dramaturgin Hannah Saar fest, die für das Programm des Werk*raum verantwortlich zeichnet. Und das Abendbrot im Hause Cheema/Mendel bestehe „häufig ganz langweilig aus Mozzarella mit Tomaten“, gestehen sie.
Genau genommen, so Cheema und Mendel einstimmig, empfinden sie die aktuellen Debatten als viel zu aufgeheizt und gleichzeitig als zu oberflächlich, da sie an den Lebensbedingungen der Betroffenen nichts ändern. Anstatt sich über herabwürdigende Begrifflichkeiten aufzuregen wie dem N- oder Z-Wort, sollte man sich mehr darum kümmern, den Diskriminierten bessere Chancen zu bieten – angefangen beim Bildungssystem, in dem bis heute Kinder mit fremd klingenden Nachnamen früher aussortiert werden.
In einer angeregten Diskussion ging es nach einem ersten Gespräch zwischen Cheema, Mendel und Saar schließlich lange hin und her mit dem Publikum. Über die Notwendigkeit von Vielfalt und der Macht einer Antirassismusklausel, aber auch über die damit verbundene Gefahr. Über den Unterschied zwischen Vorurteilen und Rassismus oder übervorsichtig falsche Fragen nach der Herkunft und echtes Interesse, das einen möglicherweise ungeschickten Gesprächsauftakt komplett unwichtig werden lasse. Darüber, einfach immer im Dialog miteinander bleiben zu müssen. Trotz aller Unterschiede. Und so schwer es manchmal auch falle. Zentralen Merksatz für den Umgang mit sämtlichen Menschen gebe es ansonsten nur einen, fasst Meron Mendel zum Ende prägnant zusammen: „Sei einfach kein Arschloch. Das ist das Einzige, was zählt.“
ULRIKE FRICK
Saba-Nur Cheema/Meron Mendel:
„Muslimisch-jüdisches
Abendbrot“. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 208 Seiten; 22 Euro.