Er erkundet Beziehungsfelder und Naturlandschaften: der Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker. © Klaus Titzer/picture alliance
Reinhard Kaiser-Mühlecker erkundet in vielen seiner Romane das österreichische Land und das Leben seiner Bevölkerung. Als einer, der selbst aus der Landwirtschaft kommt, weiß er, wovon er erzählt. Die Heldin des neuen Werks „Brennende Felder“ heißt Luisa Fischer. Sie stammt aus dem oberösterreichischen Dorf Rosental. Eine bestimmte Beschreibung ihres Wesens findet sich in Variationen an einigen Stellen des Textes: „Es war nicht Geduld, was sie brauchte, es war bloß Willen, und Willen hatte sie. Sie war gut darin, zu bekommen, was sie wollte; sehr gut sogar.“
Luisa verlässt früh die Heimat. Sie zieht es in die Fremde. In Dänemark und Schweden lernt sie zwei Männer kennen, mit ihnen hat sie einen Sohn und eine Tochter. Nach der Trennung bleiben die Kinder bei den Vätern. Bei ihren sporadischen Besuchen spürt sie die Entfremdung. Doch Luisas Lebensgeschichte ist weitaus komplexer: Ihren Vater im oberösterreichischen Dorf vergöttert sie. Als sie erfährt, dass er nicht ihr leiblicher Vater ist, verlässt sie ihren Geburtsort. Jahre später werden beide ein Paar und kehren ins Dorf Rosental zurück. Man kann sich denken, dass so etwas nicht nur am Land für Gesprächsstoff sorgt. Bob, wie Luisa ihren „Vater“ nennt, geht zudem auf fremden Höfen auf Raubzug. Denn, so sein Argument, viele Landwirtschaftsbetriebe seien arisierte Güter. Auch mit Luisas Erbe scheint etwas nicht zu stimmen.
Weder in der Heimat noch in der Fremde stellt sich das Gefühl der Zugehörigkeit, der Geborgenheit bei der Protagonistin ein: „Schreiben ist eigentlich meine einzige Heimat.“ Die erzählte Zeit über versucht Luisa Fischer, an einem – ihrem ersten! – Roman zu schreiben. Schon in der Kindheit bot ihr Lesen, die Möglichkeit einen anderen, ihren eigenen Raum zu betreten.
In gewisser Weise erinnert Kaiser-Mühleckers Luisa Fischer an Gustave Flauberts Emma Bovary. Die selbst erbaute literarische Fantasiewelt stürzte „Madame Bovary“ ins Unglück. Luisa ist jedoch etwas anders gelagert: Sie glaubt keineswegs an den Märchenprinzen, doch in ihren zahlreichen Beziehungen sucht sie zuerst nach Bestätigung – und dann nach Halt. Sie möchte mit jemanden Daheim-Sein. Doch dieses Glück scheint im Roman niemandem ernsthaft vergönnt zu sein. Einmal im Hochsommer sieht sie in der Ferne brennende Mähdrescher und Ballenpressen. „,Es sieht so aus, als ob Felder brennen‘, flüsterte Luisa.“ Wenn Felder brennen, geht die Saat nicht auf, das Gut – und auch das Gute! – verdirbt. Doch Felder sind ebenso Teil der Landwirtschaft – und somit Teil der Natur.
Äußerst gekonnt gelingt es Kaiser-Mühlecker, das ereignisreiche Geschehen mit Naturbeschreibungen zu verbinden. Dabei ist diese Natur kein „locus amoenus“, kein lieblicher Ort, sondern etwas, das mit den Schicksalen der Menschen verbunden ist. Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass dieser Autor eine sprachlich ausdifferenzierte Prosa entwickelt hat, die maß-, stil- und kunstvoll zu nennen ist. Seine Erkundungen der menschlichen Beziehungsfelder und der Naturlandschaften sind im besten Sinne lesenswerte Literatur.
ANDREAS PUFF-TROJAN
Reinhard Kaiser-Mühlecker:
„Brennende Felder“. S. Fischer, Frankfurt/Main, 367 S.; 25 Euro.