Ein Mann mit vielen Gesichtern: Eisi Gulp ist auf der Bühne im Bayerischen Hof in seinem Element. © Yannick Thedens
„Die Frauen sind wahrscheinlich der einzige Grund, warum ich nicht schwul geworden bin“, räsoniert Eisi Gulp zu Beginn des Abends in der Komödie im Bayerischen Hof. „Für die Mädels“ habe er sehr vieles getan in seinem Leben. Mit dem Tanzen angefangen, beispielsweise. Damit beginnt der Münchner dann auch ganz konsequent sein neues Kabarettprogramm. Um die Erwartungshaltung des Publikums zu erfüllen und dem eigenen Bewegungsdrang nachzugeben. Wobei er – laut eigener Aussage „schließlich schon eine etwas ältere Socke“ – sich für seine Moves absolut noch nicht verstecken muss.
Anschließend wird’s „a bisserl ruhiger“, das Programm mit dem weit gefassten Titel „Tagebuch eines Komikers“. Von hoch dotierten Kurz-Auftritten vor den „Platinum“-Aktien-Kunden eines Online-Bankinstituts erzählt er gewohnt pointensicher, von deren geringem Enthusiasmus, auf den er prompt reagiert: „Ich habe auch schon vor 150 belegten Semmeln gespielt, die waren besser drauf als ihr“. Einen Vorwurf, den man dem Publikum der Komödie nicht machen muss. Von den ersten Salsa-Schritten an wird gekichert, gelacht und schließlich lauthals geschrien vor Begeisterung. Hier steht einer auf der Bühne, der denen im Parkett aus der Seele spricht. Darin bestand früher schon der Charme bei Gulps Auftritten. Nun, viele Jahrzehnte und Eberhofer-Krimis später, ist man gemeinsam gereift. Doch den Nerv seiner Fans trifft er nach wie vor.
Politisches vermeidet Eisi Gulp bewusst an diesem Abend. Über die Corona-Pandemie schlenkert er mit einem Satz, ebenso über das Thema Geflüchtete. Was im zweiten Fall sehr schade ist. Denn man spürt, da könnte er wesentlich tiefer gehen – und jemandem wie ihm würden die Menschen im Raum ja aufmerksam zuhören. Das gilt auch für die Ewiggestrigen und die Alt-Hippies, die gemeinsam von den „guten alten Zeiten“ schwärmen und einer wichtigen jungen Bewegung wie „Fridays for Future“ mit Skepsis begegnen: Problem erkannt. Einmal angetippt. Aber Gulp will offensichtlich keinen vergrätzen, möchte niemandem wehtun und bleibt daher lieber bei seinen irgendwie doch ziemlich oberflächlichen Wohlfühl-Wellness-Themen. Dem Alter des Mannes inklusive Prostatabeschwerden widmet sich der 68-Jährige beispielsweise recht ausdauernd, der Masturbation ebenfalls, jeweils zur großen Erheiterung der Zuschauer.
Am ausführlichsten arbeitet sich der 1955 als Werner Maximilian Eisenrieder Geborene aber an der katholischen Kirche im Allgemeinen und an seiner Zeit in der Grundschule an der Amalienstraße im Besonderen ab. An gewalttätigen Paukern wie dem Oberlehrer Meier, einem ehemaligen SS-Standartenführer, der den Kleinen die Weisheit mit wöchentlich frisch erworbenen Rohrstöcken einbläute. Oder an der Religionslehrerin „Mater Gundelinde“, die den arglosen Zöglingen gleich in der ersten Unterrichtsstunde überaus plastisch die Qualen der Hölle zu schildern weiß und das Gottvertrauen einer ganzen Schulklasse auf dem Gewissen hat.
Gegen Ende des Programms kommt er dann schließlich, dem 68er-Image und der Rolle als Papa Eberhofer entsprechend, sehr umfassend auf das Thema Cannabis und Marihuana zu sprechen. Man spürt, wie wichtig ihm die gegenwärtige Legalisierung ist. Wären es doch andere Themen nur ebenfalls – was für ein aufregendes, spannendes und zeitgemäßes Programm das wäre!
ULRIKE FRICK