Kornél Mundruczó inszenierte die „Tosca“ mit üppigen Bildern. © Tamcke/PA, SCHIED (2)
Am Ende bleiben „zarte Hände“: Lise Davidsen als Tosca und Freddie De Tommaso als Cavaradossi.
Für überempfindliche Ohren ist die „Tosca“ nichts. Zumal dann nicht, wenn – wie bei der heftig beklatschten Wiederaufnahme der Neuinszenierung von Kornél Mundruczó am Montagabend im Nationaltheater – Sänger am Werk sind, denen das Forte auch in hohen Lagen locker über die Lippen quillt. Lise Davidsen in der Titelrolle gelang das ebenso wie Freddie De Tommaso als Cavaradossi. Dritter im Bunde war Bryn Terfel, der schon in der alten Inszenierung von Luc Bondy als sadistisch-schleimender Widerling Scarpia für Schrecken und Gänsehaut gesorgt hatte.
Auch im Graben durfte es krachen, obwohl dort „Heimkehrerin“ Oksana Lyniv mit dem geschmeidigen Staatsorchester noch weit mehr hören ließ: Da wurde die Farbigkeit von Puccinis Musik beleuchtet, wurde Tosca seidenweich ummantelt, mit breitem Pinsel gemalt, aber auch elegant und eindringlich erzählt. Dabei sorgte die Dirigentin für ein leichtes Fließen, dem die Szenerie zuweilen im Wege stand. So musste der Zuschauer im ergreifendsten Moment – dem „È lucevan le stelle“ des todgeweihten Cavaradossi – mühsam alle Filmsequenzen und Bilder zurückdrängen, die Cavaradossi noch einmal als Filmregisseur Pasolini beglaubigen sollten, die Musik aber geradezu ungehörig belagerten.
Doch trotz Kornél Mundruczós Über-Interpretation, dem Zuviel an Verweisen und Symbolen blieb das Publikum dran und litt mit Tosca und Cavaradossi. Lise Davidsen gab nicht die kaprizierte Diva, sondern eher die leicht eckige, unsichere Eifersüchtige. Mit ihrem großen, höhensicheren, leicht kühlen Sopran behauptete sie sich ohne Mühe. Und im „Vissi d’arte“ berührte sie vor subtil aufgefächertem Orchester mit fein gezeichneten Piano-Linien.
Ihr zur Seite imponierte Freddie De Tommaso im alten Stil. Breitbeinig protzte er mit seinem üppigen Tenor-Material, gönnte sich (und natürlich auch dem Publikum) ein paar lang gehaltene Töne und in der Arie sogar einen Mini-Schluchzer. Doch als er zuletzt die „dolci mani“ (zarte Hände) seiner Tosca besang, da war auch er im sanften Piano angekommen.
Aus Bryn Terfels herrischem Bariton loderten Scarpias Bosheit und sexuelle Gier, auch wenn er sie mit falschem Schmeicheln tarnte. Dass sich nach Toscas Befreiungs-Stich mehrere #MeToo-Opfer um sie scharten, verwunderte nicht.
GABRIELE LUSTER