Er findet immer wieder neue Schattierungen: Cellist Pablo Ferrández. © Tobias Hase/mphil
Karina Canellakis hatte man bei den Münchner Philharmonikern schon länger auf dem Radar. Und nachdem der angedachte Auftritt aus bekannten Gründen leider nur als Geisterkonzert im alten Gasteig stattfinden durfte, war es nun höchste Zeit für einen neuen Anlauf. Diesmal in der Isarphilharmonie, wo sie nach einer flott durchgepeitschen „Egmont“-Ouvertüre auf den Cellisten Pablo Ferrández traf. Die gemeinsam zu bewältigende Aufgabe war hier das Cellokonzert Nr. 1 von Schostakowitsch. Ein Werk, bei dem sich die beiden Temperamente auf geradezu ideale Weise ergänzten. Wobei auch Solohornist Matias Piñeira als Dritter im Bunde unbedingt erwähnt sei, der im Dialog mit dem Cello ausgesprochen eloquent zu agieren versteht.
Das Fundament für solche Momente legt die US-Amerikanerin Karina Canellakis mit einer erfreulich ungekünstelten Lesart. Während sie im ersten Satz das Doppelbödige der Partitur präzise herauszukitzeln versteht, wandeln sich die (an-)klagenden Phrasen des Cellos beinahe unmerklich zur leisen Trauer. Ferrández findet dafür nicht nur immer wieder neue subtile Schattierungen, sondern durchaus auch deutliche Töne. So wie in der virtuos ausgestalteten Kadenz, der auch die zum Schweigen verurteilten Orchestermitglieder gebannt lauschen, ehe sie selbst endlich wieder umso energischer ins Geschehen eingreifen dürfen.
Das Standardrepertoire ist im Vergleich dazu hin und wieder ein zweischneidiges Schwert. Zwar füllt Beethovens Fünfte auch diesmal zuverlässig den Saal, gleichzeitig steigt dabei aber auch die Erwartungshaltung. Denn bei solchen Klassikern dürften fast alle im Publikum ihre ideale Interpretation im Ohr haben – ob von Furtwängler, Harnoncourt oder womöglich gar Currentzis. Derartigen Ballast schüttelt Karina Canellakis gleich bei den markanten Anfangstakten so gut wie möglich ab und fegt zügig darüber hinweg. Nur keine Klischees, scheint hier das Motto. Doch während sie ihren Vorgängern so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen versucht, bleiben eigene Akzente zunächst ein wenig auf der Strecke.
Entspannter wird die Angelegenheit erst im langsam zweiten Satz, wo Canellakis den Fluchtreflex unter Kontrolle bekommt und die Musik endlich zu atmen beginnt. Und derart geerdet kann es dann umso furioser auf die Zielgerade gehen.
TOBIAS HELL