Beste Rahmenbedingungen

von Redaktion

Im Buchheim-Museum: Kirchners Bilder und ihre hölzernen Begleiter

„Ringer in den Bergen (Sertigdörfli)“ hat einen breiten Profilrahmen, passend bemalt.

„Tanzende Mädchen in farbigen Strahlen“: Der Rahmen zeigt farbig betonte Kanneluren.

Der „Totentanz der Mary Wigman“: im breiten Profilleistenrahmen mit Goldbronze, unterschiedlich lasiert. © MURRER, Bösch

Passend: Kirchners „Blonde Frau im roten Kleid“ hängt in einem passend bemalten, flachen Profilrahmen. © Dominique Uldry

Zusammenreißen muss man sich, um nicht von den Gemälden zum Dauer-Hinschauen verführt zu werden. Aber bei „Wiederentdeckt & wiedervereint – Rahmen und Bilder von Ernst Ludwig Kirchner“ im Bernrieder Museum Buchheim sollen endlich einmal die bescheidenen Begleiter der Werke im Mittelpunkt stehen. Also hängt schon vor der Tür zum Ausstellungssaal ein leerer Rahmen. 2019, noch unter der Ägide des kürzlich umstritten entlassenen Chefs Daniel Schreiber, rückte der Münchner Rahmenkunsthandwerker Werner Murrer in unsere Aufmerksamkeit, weil er eben diese anstacheln wollte: Nicht für sich, vielmehr sollte sie sich durch die Schau „Unzertrennlich“ auf die speziellen Gemäldeeinfassungen der „Brücke“-Gruppe richten. Murrer war da längst zum Rahmenkunsthistoriker geworden.

Jetzt hat er sich in Zusammenarbeit mit dem Buchheim-Team und dem Kirchner Museum Davos ganz dem entschiedensten Rahmen-Fan unter den „Brücke“-Mannen, Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938), gewidmet. Da die Profi-Kunsthistoriker nach dem Krieg das eigentlich nicht zu übersehende Pärchen Bild plus individueller Rahmen ignorierten, folglich auseinanderrissen, grenzt es an ein Wunder, dass die aktuelle Präsentation rund 60 Werke aufbieten kann. Alles Leihgaben, viele aus der Schweiz, wo der Maler seine letzten Jahre im Gebirge verbracht hatte. Ein Streifzug von den frühen Jahren in Dresden bis zum Spätwerk ist so möglich. Da wir viele der Werke nicht kennen, müssen wir uns, wie gesagt, besonders zusammennehmen, um nicht nur sie alleine wahrzunehmen.

Kirchner wollte seinen Stars mit der Umfassung einerseits nicht die Schau stehlen. Andererseits war sie ihm so wichtig, dass er sie „maßgeschneidert“ für das jeweilige Bild haben wollte. Kein Bild gebe er ohne seinen Rahmen in eine Ausstellung, postulierte er. Fette Goldrahmen waren für die Avantgarde unerträglich und zu teuer, stattdessen setzte Kirchner mit Goldbronze auf die arme Schwester, die zur Not zusammengenagelte Bretter zierte und farblich „patiniert“ aufs Gemälde abgestimmt wurde. Und schwupps war der Künstlerrahmen da.

Kirchner spielte mit dem Konzept des Bilderrahmens

Der Bilderrahmen ist ja ein seltsames Wesen. Er gehört zum Werk und doch nicht ganz. Er gehört zu Werkumgebung und doch nicht ganz. Könnte man nicht ganz darauf verzichten? Das taten viele Künstlerinnen und Künstler ab der Modern. Kirchner wollte das nicht. Er blieb bei der Tradition, unterwarf sie jedoch seinem Willen, er spielte mit ihr. Da steckt Humor drin. Zu einem zweiten Wulst kommt ein dritter und vierter. Profile steigen auf und ab, manchmal in arg vielen Stufen. Dann gibt es erhabene Ruhezonen oder raffinierte Farbakzente oder Voluten-Scherze, die ans Barock oder bemalte Bauernschränke erinnern, und sogar echte Renaissance- und Barockrahmen, die ihm sein Sammler, der Arzt Frédéric Bauer, anbot. Auch die sind samt zugehörigem „Akt vor dem Spiegel“ (1915) oder „Liebespaar“ (1930) in Bernried zu entdecken.

Am schönsten sind die Happy-End-Geschichten. Die „Blonde Frau mit rotem Kleid“ (1932), eine kesse Kombination aus eleganter Dame, ihrem nackten Körper und kräftigen Schatten, hatte ihre Umfassung verloren; nun sind sie dank der Rahmen-Schau von 2019 wiedervereint. Bisweilen ist sogar eine Rekonstruktion nötig. Pampiges Gold wird abgetragen und von der ursprünglichen Goldbronze ersetzt. Oder es muss der Rahmen nach Kirchners Fotos nachgebaut werden: hinreißend heiter die „Balkonszene“ mit Bauer unter dem Sonnenschirm und der Sammlerin Barbara Harrison Wescott in der Sonne vor Alpenpanorama; der Rahmen ist hier ein mehrfach gestaffelter Freund. Bei dem eindrucksvollen, obwohl kleinen „Alpenleben“ (1917 –1919) werden Bauhaus-straffe Stäbe zur Architektur für ein Triptychon, das im Grunde ein Fries ist.
SIMONE DATTENBERGER

Bis 12. Januar 2025,

bis Ende Oktober Di.-So. 10-18 Uhr, ab November 10-17 Uhr; Telefon: 08158/997 00; Katalog, Hirmer Verlag: 49,95 Euro.

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