Die Hauptfigur des Romans von Irma Nelles klingt fast schon zu charismatisch und ungewöhnlich, um wahr zu sein. Ist sie aber: Diana von Reventlow-Criminil hat wirklich auf der kleinen Hallig Südfall mitten in der Nordsee gelebt. Legenden ranken sich um die Aristokratin, die 1910 im Alter von 47 Jahren mit wenig Personal in einen Gutshof auf die nordfriesische Hallig zieht. 1944 bietet sie John Philip Gunter, einem Piloten der Royal Air Force, auf dem Inselchen Zuflucht. Ein Ende des Zweiten Weltkriegs rückt immer näher. In der Dorfschenke wird mehr oder weniger offen über Hitler geschimpft. Die auf der Nachbarinsel Nordstrang aufgewachsene Autorin fängt die Atmosphäre der vorwiegend vom Wetter bestimmten, oftmals sturmumtosten Hallig sehr mitreißend ein. Der gemächliche, ruhige Erzählfluss scheint sich ebenfalls dem Hallig-Tempo anzupassen. Es gibt in der klar gegliederten Novelle sogar eine behutsame Annäherung zwischen der alten Frau und dem von den Nazis vom Himmel geschossenen Briten. Nur das Ende ist leider ein wenig zu abrupt.
ULF
Irma Nelles:
„Die Gräfin“. hanserblau, 176 Seiten; 20 Euro.
★★★★☆ Lesenswert