Höchst ambitioniert starteten die Münchner Symphoniker am Donnerstagabend im – mit viel jungem Publikum – dicht besetzten Prinzregententheater in die neue Saison. Rund um das bei Jakob Haas, Adrian Sieber und Google Gemini bestellte Auftragswerk gruppierte Chefdirigent Joseph Bastian Werke, die nicht unbedingt zum gängigen Repertoire gehören.
Besonders gespannt war man natürlich auf Haas/Siebers „The Twin Paradox: A Symphonic Discourse“, den die beiden mit Künstlicher Intelligenz (KI) und dem Sprachmodell Gemini von Google geführt hatten, um sich zu fünf „Sätzen“ inspirieren zu lassen. Was flirrend und metallisch klingend begann, entwickelte sich über gestopftes Blech, Schlagwerk und viel Holzbläser-Einsatz zu einer wunderschönen, von hohen Streichern umschmeichelte Episode des Englischhorns. Die wurde von einer rhythmisch-aggressiven Steigerung überrannt, nach der das Englischhorn nur noch „auströpfelte“. Originalität, auch in der Koppelung von Piccoloflöte und Tuba oder im Violinsolo zum pompösen Schluss, ist dem Opus nicht abzusprechen. Doch die Frage bleibt: Ob die Komponisten das nicht auch ohne Inspiration durch die KI geschafft hätten?
Joseph Sebastian und die Symphoniker waren mit viel Temperament unterwegs, ließen in den teils wilden, rhythmischen Attacken in Prokofjews vierter Symphonie das ursprüngliche Ballett erkennen, erfreuten aber auch mit Leichtfüßigkeit etwa zu Beginn des dritten Satzes. Christian Schmitt gesellte sich in Saint-Saëns‘ dritter Symphonie mit fülligem (elektronischem) Orgelklang zum in weiten Phrasen geführten Orchester, bis hinein ins majestätische Tutti. Auch hurtiges Holz oder Klavier sorgten für überraschende Farben. Eröffnet hatte den abwechslungsreichen Abend Hans Zimmers plakative „Interstellar“-Suite. Zuhörerinnen und Zuhörer applaudierten begeistert.
GABRIELE LUSTER