Mit Schwung in ein neues Leben?

von Redaktion

Die Ensembles der Kammerspiele und des Faso Danse Théâtre zeigen gemeinsam das Tanzstück „Balau“

Verzweifelt schleudert Ahmed Soura seinen Körper in die Luft – ohne seiner aussichtslosen Lage zu entkommen. © BAUMANN

Die Bühne ist Fiston Mwanza Mujila längst vertrautes Terrain. Schon mehrfach wurden Werke des im Kongo geborenen und in Österreich lebenden Autors fürs Theater adaptiert. Während er sich jüngst selbst an eine Bearbeitung von Elfriede Jelineks „In den Alpen“ machte. Was lag also näher, als den Titel seines jüngsten Romans „Tanz der Teufel“ beim Wort zu nehmen und ihn mit Choreograf Serge Aimé Coulibaly zu verkuppeln?

Das Ergebnis lässt sich aktuell in der Therese-Giehse-Halle erleben, wo das gemeinsam entwickelte Tanztheater-Stück „Balau“ das Ensemble der Kammerspiele mit Mitgliedern des Faso Danse Théâtre in Dialog bringt. Der Titel leitet sich aus dem westafrikanischen Dioula ab und beschreibt ein unerwartetes Ereignis oder einen Schicksalsschlag. Ausgehend von diesem Grundmotiv schuf Mujila eine epische Ballade in sieben Tableaus, die von zerbrochenen Träumen erzählen, von Traditionen und erzwungener Erneuerung, von den Nachwehen des Kolonialismus und der Ausbeutung eines Kontinents. Eingefangen in teils poetischen, teils schonungslos brutalen, vor allem aber stets authentischen Sprachbildern. Zu hören sind davon auf der Bühne leider meist nur Bruchstücke. Wütend herausgeschrien und oft von hämmernden Beats überdeckt. Denn „Balau“ war von Anfang an nie als klassischer Theatertext gedacht, sondern als Inspirationsquelle. Wobei allen Neugierigen trotzdem dringend empfohlen sei, den kompletten Text auf der Internetseite der Kammerspiele zu suchen und auf sich wirken zu lassen. Egal ob in deutscher Übersetzung oder in der unverfälschten französischen Fassung.

Die Bilder, die Coulibaly daraus destillierte, haben oft assoziativ improvisierten Charakter, hangeln sich an anderer Stelle aber auch eng am Original entlang. So etwa in einer zunehmend eskalierenden Hochzeitsfeier, die mit einer elektronisch verzerrten Version von Mendelssohns Hochzeitsmarsch untermalt wird. Ein Moment, der ähnlich skurril daherkommt wie die später folgende HeleneFischer-Parodie, die Erwin Aljukic als Playback-Show gestalten darf.

Am Anfang gibt es da im Publikum angesichts der nervös zuckenden Körper noch viel verunsichertes Gekicher, ehe sich langsam die dem Thema angemessene Konzentration einstellt. Doch wie so oft bei spartenübergreifenden Projekten, lässt sich natürlich auch hier wieder deutlich identifizieren, wer auf der Bühne Tanz- oder Performance-Erfahrung mitbringt und wer eher die Fraktion Grundkurs Discofox verkörpert. Coulibaly hält das Geschehen zwar stets gut in Fluss und findet eine für alle umsetzbare Bewegungssprache. Wirklich unter die Haut gehen aber vor allem die intensiv durchlebten Solo-Darbietungen von Daisy Ransom Phillips und Ahmed Soura, der seinen Körper immer wieder verzweifelt in die Luft schleudert ohne dadurch der aussichtslosen Lage zu entkommen.

Auf der Zielgeraden tappt der Abend dann leider noch einmal so richtig in die Klischee-Falle. Denn da muss natürlich das Licht im Saal kurz angehen, damit Schauspieler Martin Weigel aus seiner Rolle heraustreten kann, um dem Publikum bedeutungsvolle rhetorische Fragen zu stellen. „Glaubst du an Gerechtigkeit?“, „Sind Grenzen da, um uns zu trennen oder zu einen?“

Am Ende Schweigen, während die Menschen auf der Bühne zu sanftem Ethno-Pop in der zunehmenden Dunkelheit immer mehr zu Schemen verschwimmen und sich am Ende aufzulösen scheinen. Keine Antworten, keine Erlösung. Nur Schweigen. Und die Welt dreht sich weiter.
TOBIAS HELL

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heute und Donnerstag,
Tickets: 089 / 23 39 66 00 und
muenchner-kammerspiele.de.

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