Die Freude der Unmittelbarkeit

von Redaktion

Hannes Schneider über den Verein „Offene Ohren“ und frei improvisierte Musik

Daumen hoch für frei improvisierte Musik: Hannes Schneider ist Mitbegründer des Vereins „Offene Ohren“. © Offene Ohren

Seit 20 Jahren bemüht sich der Verein „Offene Ohren“, einer frei improvisierten Musik jenseits aller Stilschubladen eine Plattform in München zu geben. Es ist eine Musik, die ohne erkennbare Melodien, durchgängige Rhythmen oder vertraute Harmonien ein vorurteilsfreies, hoch konzentriertes Zuhören erfordert, diese „Anstrengung“ aber oft mit unwiederbringlichen Klangerlebnissen belohnt. Nach 280 Konzerten mit rund 450 Musikern aus allen Erdteilen feiern die „Offenen Ohren“ ihren runden Geburtstag nun vom kommenden Freitag bis Sonntag im Schwere Reiter mit einem Festival unter dem Motto „Parallel Universe“. Wir haben vorab mit dem Mitgründer und Programmverantwortlichen Hannes Schneider gesprochen.

Wie kam es vor 20 Jahren zur Gründung der „Offenen Ohren“?

Eigentlich sehr spontan, getragen von der Begeisterung für improvisierte Musik, die bis zu diesem Zeitpunkt in München quasi nicht stattfand. Zwei international profilierte Musiker und auch persönliche Freunde von uns tourten im Juni 2004 in Österreich, und wir hatten gleichzeitig gerade eine kleine Bühne Nähe Harras entdeckt – die Phoenix Lounge, die es schon lange nicht mehr gibt. Also organisierten wir spontan und innerhalb weniger Tage ein Duokonzert. Ergebnis: Musiker und Zuhörer waren begeistert, und wir beschlossen, so etwas öfter zu machen. Das Kulturreferat München fand die Idee gut, empfahl uns eine Vereinsgründung zu genau diesem Zweck, und bot uns schon früh eine Kooperation an.

Wie trägt sich der Verein und wie sieht die praktische Arbeit aus?

Wir hatten wirklich das Glück, nach der Anfangs-Kooperation mit dem Kulturreferat sehr bald eine strukturelle Unterstützung von dort zu erhalten. Unser Abkommen, mit diesem jährlichen Grundbudget ein künstlerisch hochwertiges Programm zu gestalten, welches das Musikangebot der Stadt München um eine wichtige Spektrallinie erweitert, ist beiderseits höchst anerkannt. Durch unsere jahrzehntelange Vernetzung in der Improvisationsszene in Musiker- wie Veranstalterkreisen fällt die Konzertorganisation sehr leicht – im Herbst eines Jahres ist das Programm des Folgejahrs meist zu 90 Prozent schon fixiert.

Wie fällt Ihre Bilanz nach 20 Jahren aus?

Die größte Schwierigkeit bei der Programmierung ist, regelmäßig viel zu vielen hervorragenden Musikern absagen zu müssen, die wir vom künstlerischen Standpunkt her unbedingt präsentieren wollten, was aber unser Budget sprengen würde. Unsere Grundsätze bei der Kuratierung: Beste Qualität und ein möglichst vielseitiges, breites Programm. Dies hat uns dann auch zu dem Erfolg geführt, bis jetzt sechsmal mit dem Applaus, dem Preis der Bundeskulturbeauftragten bedacht worden zu sein, der herausragende Programmarbeit fördert. Und wir können beobachten, dass unsere Stammhörerschaft über die Jahre stabil ansteigt. All dies hat jedenfalls dazu geführt, dass München durch die „Offenen Ohren“ wieder auf der internationalen Landkarte als Ort für Improvisationsmusik etabliert ist – und das erfüllt uns schon mit etwas Stolz.

Wie sieht Ihre Perspektive für die nächsten 20 Jahre aus?

Wir denken nicht in diesen langen Zeiträumen, speziell vor dem Hintergrund der zumindest teilweisen Abhängigkeit von fragilen Kulturförderprogrammen. Andererseits: Wir hätten bei Gründung auch nie gedacht, dass wir einmal unser 20-jähriges Bestehen feiern könnten. Also werden wir einfach mit Freude und Spaß an der Sache weitermachen.

Angenommen, jemand ist neugierig, hat aber keine Erfahrung mit freier Improvisationsmusik: Was würden Sie raten, wie kann man eine Verbindung zu dieser Musik herstellen?

Auf zwei Dinge sollte man achten: Besuchen Sie Live-Konzerte, dieses unmittelbare Erlebnis ist durch nichts zu ersetzen. Und: Lassen Sie sich überraschen, haben Sie keine vorgefasste Meinung, wie etwas zu klingen habe – oder kurz gesagt, haben Sie offene Ohren! Lassen Sie sich auf eine musikalische Entdeckungsreise zusammen mit den Künstlern ein, und achten Sie auf die Kommunikation, die dabei abläuft – zwischen Musikern, Zuhörern, aber auch dem Konzertraum. Sie werden miterleben, wie sich Strukturen entwickeln, und werden erstaunt sein, wo Sie diese hinführen und mit welchen neuen Hörerlebnissen Sie nach Hause zurückkehren werden.

Weitere Informationen

und Tickets gibt es online unter www.offenohren.org und www.schwerereiter.de.

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