„In der Karten-Arie kann man hinter ihre Fassade schauen“: Sophie Rennert als Carmen in der Inszenierung von Herbert Föttinger. Dirigiert wird die Bizet-Oper von Rubén Dubrovsky. © Markus Tordik
Die Carmen stand ganz oben auf ihrer Liste – und jetzt ist sie da. Schon in ihrer dritten Spielzeit am Münchner Gärtnerplatztheater wurde Sophie Rennert von Bizets Fabrikarbeiterin aus Sevilla „eingeholt“. Die Premiere an diesem Freitag leitet Chefdirigent Rubén Dubrovsky.
Die junge Österreicherin strahlt, denn sie freut sich sehr auf die Titelpartie in einem Werk, das sie seit Schulzeiten begleitet. „Bereits in meiner Abschlussarbeit beschäftigte ich mich mit ‚Carmen‘, der ich in vielen Live-Aufführungen, aber auch in unterschiedlichen Einspielungen begegnet bin. Diese Frau, die weiß, was sie will, und vor allem, was sie nicht will. Sie ist mir mit ihrem Freiheitsdrang, ihrer Selbstbestimmtheit sehr nah“, gesteht Sophie Rennert.
Alles spielt in der Franco-Zeit
Angesiedelt hat Regisseur Herbert Föttinger, Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt, das Geschehen in der Franco-Ära, was sich vor allem in den Kostümen der 1940er-Jahre spiegele, erzählt die Sängerin, die vor allem die Karten-Arie liebt. „Diese ist eine emotionale Herausforderung und macht die Figur noch spannender, weil man dabei hinter ihre Fassade schauen kann.“
Stimmlich fühlt sich die Mezzosopranistin bei der Carmen sehr wohl – „wie für mich geschrieben“, lacht sie. Mit der Charlotte in Massenets „Werther“ wagte sich Sophie Rennert am Gärtnerplatztheater erstmals in dramatischere Gefilde und so schließt sich jetzt Bizets Partie nahtlos an.
Wer auf das Repertoire der Sängerin schaut, die in Graz in eine Musikerfamilie hineingeboren wurde, staunt: Da stehen alle Schubladen offen, und aus jeder springt einem Sophie Rennert förmlich entgegen. In der Alten Musik hat sie ein festes Standbein, 2026 wird sie wieder bei den Innsbrucker Festwochen dabei sein. Auch am Gärtnerplatz darf sie sich in Händels „Alcina“ (Premiere am 31. Januar 2025) von dieser Seite präsentieren. Im Sommer 2025 steht sie in Mannheim als Händels „Giulio Cesare“ auf der Bühne. Schmunzelnd gesteht die Vielseitige, die mit renommierten Originalklang-Ensembles unterwegs ist: „Die Barockleute wissen oft gar nicht, dass ich auch ‚Mainstream-Opern‘ mache.“
Dem Lied gehört ihre ganz besondere Liebe, früh eingepflanzt von der Mama, die ihre erste Lehrerin war. Und bei der 13-jährigen Tochter eine „fachlich wunderbare Basis“ aufgebaut hat, erinnert sich Sophie Rennert. Später folgte dann das Studium an der Wiener Musikuniversität bei Karlheinz Hauser und Charles Spencer. Natürlich gehört Schubert zu ihren Favoriten, sang Sophie Rennert doch bereits mehrfach bei der Schubertiade in Schwarzenberg. Aber sie mischt ihre Programme gern auch mit Liedern von Fauré oder Debussy und Britten.
Auch zum Jazz hat Sophie Rennert ein natürliches Verhältnis. Ihr verstorbener Vater war Jazzpianist, und sie hat sogar eine CD mit Liedern von ihm aufgenommen („Von den Göttern weiß ich nichts“). Dass sie auch vor der zeitgenössischen Oper nicht kapituliert, bewies sie bei der Wiener Erstaufführung von Péter Eötvös’ Oper „Angels in America“, in der auch ihr Mann mitwirkte. Sogar im Operettenfach trieb sich Sophie Rennert schon herum: in einer „Schönen Galathée“ von Suppé und natürlich als „Fledermaus“-Orlofsky am Gärtnerplatz.
Dieses heutzutage unüblich weit gespannte Repertoire, so betont die Sängerin, „hält frisch, und jedes Genre kann vom anderen profitieren“. Selbstverständlich ist sie froh, dass ihre Lehrer sie in der angestrebten stilistischen Vielfalt immer unterstützt haben und sie daher nicht in einer festen Schublade landete. Dass Sophie Rennert, die vorher sieben Jahre frei arbeitete, sich in der Saison 2022/23 für ein festes Engagement an Josef Köpplingers Münchner Haus entschied, lag an den tollen Partien, die sie hier singen kann. In dieser Spielzeit gehören neben der Carmen dazu die von ihr besonders geliebte Charlotte in Massenets „Werther“, und sie freut sich sehr auf Mozarts Donna Elvira im kommenden März.
Da bleiben im Moment kaum Wünsche offen. Oder? Den Octavian im „Rosenkavalier“, den würde die 34-Jährige auch gern bald einmal singen. Doch im Moment liegt der Fokus auf Carmen, der selbstbestimmten Arbeiterin aus der Zigarettenfabrik, die von Don José erstochen wird. Einen solchen Frauenmord dürfe man auf der Bühne nicht zeigen, empörte sich neulich eine Dame gegenüber der Sängerin. Da ist Sophie Rennert, die die heutigen, schrecklichen Femizid-Statistiken durchaus kennt, eindeutig anderer Meinung: „Man macht die Dinge ja nicht ungeschehen, indem man sie nicht zeigt!“ So lädt Bizets fast 150 Jahre alte „Carmen“ auch noch heute zur Diskussion ein.
GABRIELE LUSTER
Premiere
am 18. Oktober; Karten unter Telefon 089/2185-1960.