Das Plattencover des neuen Albums „Tension II“. © dpa
Fast wie im richtigen Leben: Disco-Diva Kylie Minogue auf einem fantasievollen Promofoto zwischen Eis und heiß. © BMG
Es braucht nicht viel, um sich wohlzufühlen in der Welt der Kylie Minogue: „Lights, Camera, Action, thar’s it!“, singt die Diva aus Down Under sehr cool im Eröffnungsstück ihres neuen Albums. Wir Normalsterbliche kommen da natürlich nicht mit, aber wir sind hier schließlich auch im Disco-Wunderland, wo Feenstaub auf Regenbogen-Rutschen liegt und zu mächtigen Bässen vibriert. Also: ganz in Kylies Element.
„Tension II“ ist der Nachfolger des extrem erfolgreichen Albums vom vergangenen Jahr. Die 56-Jährige hat sich damit angefreundet, nicht mehr der letzte Schrei zu sein, dafür eine Konstante in Sachen Dancefloor-Party. Wenn man so will, hat sie sich ihren Status als „Princess of Pop“ über die Jahrzehnte erhalten, während die Königinnen – von Madonna bis Taylor Swift – wechselten. Und von wegen nicht der letzte Schrei: Zwanzig Jahre nach ihrem ersten Grammy für „Come Into My World“ hat sie die prestigeträchtige Trophäe heuer zum zweiten Mal eingeheimst – für „Padam Padam“ vom letzten Hitalbum. Der Erfolg habe sich wie ein Comeback angefühlt. „Die ,Tension‘-Ära war etwas ganz Besonderes für mich“, erklärte Kylie zur Ankündigung des neuen Albums und ihrer Welttournee 2025. „Ich kann sie unmöglich jetzt schon enden lassen.“
Um auf der Erfolgswelle weiterzusurfen, kommt nun also die zweite Portion. Und die liefert natürlich mehr vom Gleichen. House, moderne Electronic Dance Music – der Popstar, den alle nur beim Vornamen nennen, hat seine Formel längst gefunden. Dass Kylie stimmlich eher ein sympathischer Spatz ist als eine Nachtigall, ist auch kein Geheimnis. Aber sie setzt ihren Gesang effektiv ein. Wenn sie sich etwa in besagtem ersten Lied in die Höhe schraubt und „Say, can you feel it?“ ruft, bevor die Beats ballern und Bässe knarzen – dann fühlt man es auch.
Aber, wir kennen das vom Kaugummi: Was anfangs süß und saftig schmeckt, wird bald zäher, ein bisserl fade – und man kaut sich streckenweise halt so durch. Diesmal mehr als beim konziseren Vorgänger-Album. „Someone For Me“ häschenhoppelt als behauptet erotischer Latino-RNB am Ohr vorbei („I like the way your bodies read, so much sexuality“, ach Gottchen), das zurückhaltend funkige „Good as gone“ reißt nicht wirklich aus dem Sessel und „Kiss Bang Bang“ hatten wir von ihr so ähnlich auch schon öfter. Genauso wie die Aufforderung am Anfang von „Diamonds“: „Meet me at the Disco-go-go-go“.
Aber „Diamonds“ zeigt eben auch, dass Kylies leichte Kost sehr oft funktioniert. Wie sie zwischendrin hauchend „Hard, hard, Pressure, Pressure, Diamonds, Diamonds, Tension, Tension“ skandiert, das hat in seiner nüchtern physikalischen Aufzählung fast was von einem Kraftwerk-Song. „Edge of Saturday Night“, das Duett mit der jungen Kollegin The Blessed Madonna, beginnt dann sogar wie ein Elaborat aus den Düsseldorfer Kling-Klang-Studios, bevor es zum Refrain auf gehämmerten Piano-Akkorden in die Italo-Disco reitet.
Ganz anders tönt dagegen „Midnight Ride“, das als Western-Nummer im Cinemascope-Format beginnt. Country-Sänger Orville Peck klingt mit seinem Pathos, als musiziere er mit „Bonanza“-Papa Ben Cartwright im Abendlicht auf der Ponderosa-Veranda. Dann geht DJ Wesley Pentz alias Diplo seinem Handwerk nach und spendiert Peck und Kylie ein Rüscherl in der Stadl-Disco. Wirklich überzeugend ist auch dieser Song nicht, dafür aber besonders – und er liegt im Trend, wie man an Beyoncés diesjährigem Album „Country Carter“ sieht. „Dance Alone“ (mit der Kollegin Sia) beendet „Tension II“ dann mit einer melancholischen Note. Ein wirklich hübscher Song – genauso wie zuvor schon die Daft-Punk-Hommage „Dance to the Music“ und der Taylor-Swift-artige Schunkler „Shoulda left ya“.
Tension heißt im Englischen unter anderem „Zugkraft“ und „Verkrampfung“. Wenn man böse wäre, könnte man jedem der beiden Partner-Alben tendenziell eine dieser Bedeutungen zuordnen. Dennoch: Kylie Minogue kann gar nicht anders, als zu unterhalten. Sie ist die „Princess of Pop“ – auf Lebenszeit.
JOHANNES LÖHR
Kylie Minogue:
„Tension II“ (BMG).
Die Diva gastiert am 16. Juni 2025 in Berlin, am 7. Juli in Düsseldorf.