Erst Zuckerbrot, dann Peitsche

von Redaktion

Jakub Hrusa und Joshua Bell gastierten beim BR-Symphonieorchester

Als Seelenverwandte präsentierten sich Geiger Joshua Bell und Dirigent Jakub Hrusa. © Astrid Ackermann

Auftritte von Jakub Hrusa haben immer die Aura des Besonderen. Egal, ob er bei oft gehörten Klassikern den Staub von den Notenblättern fegt, oder wie jetzt im Herkulessaal eine Lanze für Werke bricht, die hierzulande ein Schattendasein fristen. Eine Freude ist es dabei allein schon, ihn bei seiner Arbeit zu beobachten. Wie er bei der Suite aus Janaceks Oper „Osud“ ganz in der Musik aufgeht, am Pult leichtfüßig tänzelt und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auch mal laufen lässt. Die volkstümlichen Klänge, die der Komponist immer wieder einfließen ließ, hat der aus Brünn gebürtige Maestro quasi im Blut. Und gerade deshalb liefert er einen authentischen Zugriff, bei dem jede Kitschgefahr gebannt ist.

Einen Seelenverwandten hat er in Geiger Joshua Bell gefunden, der bei der Einleitung zum zweiten Violinkonzert von Henryk Wieniawski auch erst einmal genießt. Mit dem Rücken zum Publikum, den Blick fest aufs Orchester gerichtet, von dem er sich die Energie für seinen ersten Einsatz holt. Und auch, wenn er die virtuosen Elemente auskostet, zeigt sich nicht nur beim sensiblen Austausch mit den Holzbläsern immer wieder der leidenschaftliche Kammermusiker.

Dazu passt es dann, dass Bell selbst die lautstark eingeforderte Zugabe nicht allein absolvieren will, sondern gemeinsam mit dem Ensemble ein Arrangement von Chopins Nocturne in Es-Dur aus dem Opus 9 präsentiert, bei dem Hrusa das Orchester filigran zu führen versteht.

Wie ausgewechselt erscheint der Dirigent dagegen im 1954 uraufgeführten „Konzert für Orchester“ von Witold Lutosławski. Nach dem Zuckerbrot kommt nun die Peitsche. Denn Hrusa weiß um die Komplexität der Partitur und arbeitet deren Strukturen mit strenger Gestik heraus.

Im ersten Satz werden da wahre Urgewalten entfesselt, während der Beginn des zweiten beinahe schon Mendelssohn-Qualitäten zeigt. Doch auch dieses „Capriccio notturno e arioso“ entwickelt allmählich immer dämonischere Züge, die auch im dicht gewobenen Finale immer wieder aufblitzen.
TOBIAS HELL

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