NEUERSCHEINUNG

Ein Fünfziger blickt zurück

von Redaktion

Lucy Frickes Wohlfühlroman „Das Fest“

Ohne plumpe Küchenpsychologie erzählt Lucy Fricke von einem alternden Filmregisseur. © Gerald von Foris

Jakob muffelt vor sich hin. Der Filmregisseur bekommt keine Aufträge mehr und ist ohnehin genervt von seinen alten, brav gestrickten Streifen. Wer möchte da den 50. feiern? Ellen, die beste Freundin, überfällt ihn trotzdem mit einer Flasche Schampus und einem Geschenk – einer Badehose.

Autorin Lucy Fricke (Jahrgang 1974), bekannt geworden durch „Töchter“ (verfilmt) und „Die Diplomatin“, setzt mit dem Kleidungsstück einen Reigen in Gang. Zurück in die Vergangenheit, zu Lebensstationen Jakobs. Am Ende, der reigengemäß ein Neuanfang ist, zeigt sich der Fünfziger zwar körperlich ziemlich demoliert, dafür seelisch aufgemöbelt. Und Ellen kriegt ihn endlich.

Zuerst muss der Mann im ehemaligen Lieblingsbad die Ex Inken treffen und seine Beziehungsprobleme reflektieren. Obwohl er beim Sprung vom Turm einen Zahn verliert, wird er durch Schmerz und Nachdenken schon ein bisschen lebendiger. Erst recht bei der „zufälligen“ Begegnung mit dem einst so innigen Freund Georg, der das eigentliche Regietalent war. Gab es da einen bösen Verrat? Das Jungsein in den späten Neunzigern wird wieder fühlbar; das Berlin von damals, das von der Gentrifizierung beinahe ausgelöscht ist. Georg lotst Jakob dann zum alten Kino im Kiez, wo er seine Ersatzmutter Anne trifft. Die „Retterin“ des Burschen, dessen Vater ihn nicht mochte und dessen Mutter in den Tod gegangen war. Mit Neela, der Kindergartenfreundin, geht es noch ein Stück weiter zurück – und ins Heute.

Jakob hatte all diese Menschen links liegen gelassen, die ihm nun zum 50. Geburtstag ein neu-altes Leben schenken. Ermöglicht durch Ellen. Fricke erzählt diesen Reigen versiert und charmant, mit nicht zu plumper Küchenpsychologie und feinen Beobachtungen von Berliner Ecken. Sie dosiert geschickt Nachdenklichkeit und Humor in bisweilen aphoristischen Formulierungen. „Das Fest“ in ein Wohlfühlroman, der sich locker wegliest und sicher gut verfilmen lässt. Er ist kein Geschenk für einen echten Freund zum Fünfzigsten.
SIMONE DATTENBERGER

Lucy Fricke:

„Das Fest“. Claassen, Berlin,
138 Seiten; 20 Euro.

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