Das Cover von „Das Bayerische Rotkäppchen“ © Trikont
Sie geben auf der Bühne alles: Stefan Murr (li.) und Heinz-Josef Braun in ihrem Element. © Hans Grünthaler
Wenn der böse Wolf eigentlich auf die Würstl in Rotkäppchens Korb scharf ist und die Großmutter beherzt hanseatisch vom Leder zieht – dann sind Heinz-Josef „Dscharli“ Braun (66) und Stefan Murr (48) wieder unterwegs im bayerischen Märchenland. Gerade ist ihr fünftes Märchen bei Trikont erschienen: „Das bayerische Rotkäppchen“. Am 1. Dezember hat das Stück Live-Premiere im Mathäser-Kino (die Schauspieler werden live auf die Leinwand übertragen). Im Interview erklären die beiden, was sie an der Neubearbeitung der alten Stoffe reizt.
Sie beide machen bereits seit 15 Jahren Hörspiele für Kinder. Wie kam’s dazu?
Stefan Murr: Treibende Kraft war mein damals noch kleiner Sohn. Ich hatte viele Kinder-CDs daheim und gemerkt, dass deren Macher offenbar geglaubt haben, sie müssten das Niveau runterschrauben. Dabei verstehen Kinder gerade Humor viel besser, als man denkt. Und weil auch die Eltern diese CDs ganz oft hören, wollte ich was machen, bei dem beide auf ihre Kosten kommen – Kinder und Erwachsene.
Heinz-Josef Braun: Teilweise kommen Erwachsene zu unseren Aufführungen auch ohne Kinder – oder mit Alibi-Kind.
Grimms Märchen sind oft unfassbar brutal. Bei Ihnen beiden ja überhaupt nicht.
Braun: Wir schauen sie uns vorher an und fragen uns: Können wir ihre Botschaft unterschreiben oder schreiben wir sie um? Grimms Geschichten haben ja oft mit Angstpädagogik und Horror zu tun. Wer weiß, welchen Untertanen man da womöglich formen wollte. Wir wollen jedenfalls, dass die Kinder sich freuen.
Darum ist in Ihrem neuen Hörspiel der böse Wolf auch eher ein Tollpatsch?
Murr: Sagen wir so: Er hat halt auch nur seine Bedürfnisse, so wie jeder andere auch. Und außerdem ist er ein unbegabter Kleinganove, was ihn ja auch wieder sympathisch macht.
Braun: Es ist wie in allen Komödien. Jede Figur verfolgt unterschiedliche Ziele, und wenn die aufeinanderprallen, entstehen Konflikte. Ein Wolf als Monster, das Menschen frisst, die aber wieder quicklebendig werden, wenn man ihn aufschneidet – der wäre heute auch schwer vermittelbar.
Und warum haben Sie sich ausgerechnet für Märchen entschieden?
Braun: Als der Stefan auf mich zukam, sind mir meine alten Märchenplatten eingefallen. Mit Orchesterbegleitung und tollen Sprechern wie Siegfried Wischnewski und Inge Meysel. Ich war als Kind viel krank, die habe ich auswendig gekannt. Von damals wusste ich: Man muss beim Märchenerzählen um sein Leben spielen, erst dann wird es plastisch.
Murr: Das Gute war, dass ich Märchen durch Dscharli erst wirklich entdeckt habe, weil ich die als Kind nicht mochte. Die haben mir Angst gemacht. Also war klar: Die müssen wir neu bauen.
Und deshalb rasiert sich Ihr Wolf fürs Rotkäppchen halt die Beine?
Braun: Es ist doch völlig unrealistisch, dass das Mädchen seine eigene Oma nicht erkennt. Bei uns probiert der Wolf deshalb erst ewig aus, bis er der Alten einigermaßen gleicht.
Murr: Gleichzeitig ist das Rotkäppchen total im Stress, weil es einen Kuchen backen muss, für einen Backwettbewerb.
Das Slapstick-Panorama im Haus der Oma ist schon beachtlich. Da gibt es zum Beispiel einen Bernhardiner, der Tirolerisch spricht.
Murr: Wir breiten uns sprachlich einfach gerne aus. Ich freue mich über alle Dialekte. So ist auch die Oma entstanden, die Norddeutsch schnackt. Sonst würde es ja nicht Rotkäppchen heißen, sondern Rotkapperl.
Braun: Wir wollen keine Bajuwarismen erzeugen. Das ist unsere Muttersprache, und die wollen wir in aller Geradheit verwenden.
Ihre Märchen sind dezidiert auf Bairisch. Sie sehen sich aber nicht als DialektBewahrer?
Braun: Nein. Sprache ist was Lebendiges. Die entwickelt sich. Und wenn die Jugend Ghetto-Sprache gut findet, was auch immer darunter zu verstehen ist, dann ist das so. Daran ändert kein Bairisch-Workshop in der Schule was. Auf der anderen Seite reden viele Kinder auf dem Land wunderschönes, authentisches Bairisch.
Murr: Ich glaube, im Zuge der Globalisierung wollen die Leute wieder mehr zeigen, wo sie herkommen. Also spricht jeder seinen Slang, und ich finde das großartig.
Der Markt dafür ist da – von den Eberhofer-Filmen bis zu Doctor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater. Apropos: Da herrscht keine Konkurrenz zwischen Ihnen, ober?
Murr: Überhaupt nicht. Mit Richard Oehmann arbeite ich ja auch als Nockherberg-Schauspieler zusammen.
Und Sie, Herr Braun, haben auf einer Kasperl-CD mal einen grantigen Schmetterling gesprochen.
Braun: Genau. Also: Es gibt genügend Platz für alle. Es ist nicht mehr so wie früher, dass man sich entscheiden muss zwischen den Beatles und den Rolling Stones.
Murr: Wenn das so wäre, dann wäre ich gerne die Beatles.
Apropos: Man kennt Herrn Braun auch als professionellen Musiker. Wie wichtig sind die Lieder für Ihre Geschichten?
Murr: Sehr. Das war damals der Auslöser, dass ich überhaupt auf Dscharli zugegangen bin. Für mich war klar: Ich möchte was mit Musik machen.
Braun: Wir nehmen die Hörspiele in meinem Tonstudio auf, wo uns viele Instrumente zur Verfügung stehen. Das war mir wichtig: dass wir die Musik selber komponieren, nicht nur bekannte Lieder umtexten.
Wie lange brauchen Sie zum Schreiben und für die Aufnahmen?
Braun: Beim ersten Mal haben wir uns sechsmal getroffen. Eine Blitzgeschichte! Mittlerweile brauchen wir ein halbes Jahr.
Murr: Wir nehmen uns aber auch mehr Zeit und sind strenger mit uns.
Braun: Was sich noch verändert hat: Wir springen schneller zwischen den Figuren hin und her als früher. Was dem Ganzen Drive gibt, was aber für uns natürlich heißt: In der Stunde, in der wir das Stück live spielen, müss ’ma unsere sieben Zwetschgen beinander haben, sonst trägt’s uns aus der Kurve.
Ist Ihnen immer gleich klar, wer welche Rolle spielt?
Murr: Das gibt meist die Geschichte vor. Bei einer Heldin ist die Hauptrolle wegen der helleren Stimme bei mir angesiedelt, der Gegenspieler wird von Dscharli gesprochen.
Braun: Wir schauen natürlich, dass es ausgewogen ist, auch von der Attraktivität her. Denn es gibt witzigere Figuren und weniger witzige.
Murr: Wir sind aber nicht eitel.
Braun: Bei den Bremer Stadtmusikanten zum Beispiel ist der Gockel der Knaller – ich freue mich, dass Stefan das so super macht.
Murr: Und beim Schneewittchen spricht Dscharli den Opernzwerg oder den Gscheidhaferlzwerg. Ich muss mich bei Auftritten jedes Mal zammreißen, dass ich nicht selber lach. Also: Wir gönnen dem anderen seinen Erfolg.
Live-Premiere
hat das Stück am 1. Dezember,
11 Uhr, im Mathäser. Karten
(Erwachsene 12, Kinder 8 Euro) unter www.mathaeser.de.