Der Münchner Künstlerfürst Adolf von Hildebrand im Treppenturm des Hildebrandhauses. © Monacensia (2)
Abschlussbally der Münchner Schiene (2023) eine Anspielung auf Bally Prell und die queere Kultur. © Verena Gremmer
Das Hildebrandhaus um 1900, ganz klein auf dem Balkon: Adolf und Irene von Hildebrand. © Architekturmuseum
Auf eine Zigarette mit Annette Kolb: Die Schriftstellerin und Pazifistin war gern zu Gast im Hildebrandhaus, das Foto entstand 1916.
„Du Depp“ ist auf die Hausmauer geschmiert, einige Scheiben der Riesenfenster sind eingeschmissen. Könnte eine vergammelte Fabrik sein, ist aber der Ateliertrakt der Villa des Münchner Künstlerfürsten Adolf von Hildebrand (1847-1921; Stichwort: Wittelsbacher Brunnen) im Zustand nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit vielen Jahren kennen wir das Bogenhausner Gebäude in picobello renoviertem Zustand, in der Bildhauerwerkstatt wartet kein Marmorblock mehr. Wo gewohnt und gewerkelt wurde, wo sechs Kinder tobten und die Dame des Hauses Klavier spielte, wo Annette Kolb so gern zu Besuch war und Sohn Dietrich sich an das exzeptionelle elektrische Licht erinnerte, da ist die Monacensia beheimatet.
Sie ist das literarische Gedächtnis Münchens und soll unter Leitung von Anke Buettner nicht nur ein edles Erinnerungskästchen sein, sondern auch ein quirliger Lebensort – wie eben zu Hildebrands Zeiten. Deswegen wurde jetzt eine neue Dauerausstellung mit dem gesamten Team und Helfenden von außerhalb entwickelt. Wer sich beeilt, kann im Forum Atelier noch die Schau begutachten, die 2016 zur Wiedereröffnung nach der Sanierung entstanden war. Danach werden auf dieser Ebene die wechselnden Präsentationen stattfinden, beginnend mit dem Ende 2022 überlassenen „Archiv Salamander“ (jüdisch-deutsche Geistesgeschichte nach 1945 und Dokumente zur Shoah). Um dieses mit finanzieller Hilfe der Alfred Landecker Foundation zu erschließen, sei „Maria Theresia 23 – Biografie einer Münchner Villa“ (abgeleitet von der Adresse Maria-Theresia-Straße 23) ein erster Baustein, so Buettner.
Rachel Salamander, die Münchner Grande Dame der Buchkultur, spricht natürlich in der Exposition. Der Videofilm läuft in dem Zimmer, das sich der dunklen Phase des Hildebrandhauses widmet. Schon die Erben von Adolf von Hildebrand, Dietrich und Irene, verheiratete Georgii, verloren ihre Heimat durch die Nazis. Der Philosoph ging ins Exil. Die Bildhauerin durfte nicht mehr arbeiten und wich mit ihrem Mann und Kollegen nach Wien aus. Tödlich endete der NS-Terror für Elisabeth Braun, die die Villa gekauft hatte. Couragiert wehrte sie sich gegen die räuberischen Nazis; letztlich wurde sie wie viele Münchnerinnen und Münchner 1941 in Kaunas/Litauen ermordet.
Ihrer wurde bereits in der ersten Dauerausstellung gedacht. Jetzt hat Kuratorin Sylvia Schütz („Ein Haus ist so etwas wie ein Zeitzeuge“) nicht nur an dieser Stelle tiefer gegraben und berichtet von einigen Profiteuren. Da sind zum Beispiel die Pianistin Rosl Schmid (1911-1978), die gut in der Raub-Villa leben konnte, oder der Bildhauer Ernst Andreas Rauch (1901-1990). Beide standen auf Hitlers Liste der „Gottbegnadeten“ und hatten selbst nach dem Krieg nichts zu fürchten. Rauch bekam nach dem Krieg sogar den Auftrag zu einer Büste von Sophie Scholl für das gleichnamige Gymnasium.
Wichtig ist dem Monacensia-Team bei der vom Büro Alba licht und unterhaltsam gestalteten Darstellung der Bezug zum Heute, zum Viertel, zur Vielfalt, zu den Nachbarn. Es wird an die Villa Benno Beckers (Hausnummer 26) erinnert, die Reichsleiter Martin Bormann an sich raffte und der die Grundstücksspekulation in den 1960ern endgültig den Garaus machte.
Es sollen freilich genauso Bogenhausener Frauen und Männer der Gegenwart zu Wort kommen, ob mündlich bei Felicitas Friedrich donnerstags ab 14 Uhr, ob in den Sozialen Netzwerken unter #MeinBogenhausen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft möchte „Maria Theresia 23“ verbinden. Deswegen wird weiter geforscht, deswegen bietet das Online-Magazin MON_Mag (www.mon-mag.de) laufend Wissens-Mehrwert, und deswegen gibt es den Raum „Künster*innen-Villa“. Dort zeigt Rebecca Faber, was die Monacensia so treibt: Vielfalt von Klassikerinnen bis Comic, von Schreibspaß bis zur queeren Reverenz an die großartige Bally Prell, von feministischen Legenden bis zum Mann von nebenan.
SIMONE DATTENBERGER
Öffnungszeiten
von Montag bis Mittwoch,
9.30 bis 17.30 Uhr, Donnerstag von 12 bis 19 Uhr; die Ausstellungen sind auch am Wochenende von 11 bis 18 Uhr zugänglich; www.monacensia.org.