Ziehen sich Gegensätze an? Auf den ersten Blick könnten die beiden Stars auf der Bühne der ausverkauften Isarphilharmonie kaum unterschiedlicher sein: links die zierliche, quirlige Chinesin Yuja Wang, die mit ihrem ultrakurzen Cocktailkleid und ihren ultrahochhackigen Schuhen so wirkt, als wäre sie auf dem Weg ins P1; rechts Víkingur Ólafsson, der schlaksige, stoische Isländer mit Seitenscheitel, Brille, Anzug und Krawatte, den man auch für einen Banklehrling halten könnte. Dass diese heterogenen Hochkaräter nun ein Klavierduo bilden, ist schon spektakulär; wie glänzend sie tatsächlich harmonieren, ist eine echte Sensation.
In ihrem außergewöhnlichen, intelligent gebauten Programm stellen sie verblüffende Verknüpfungen her. So kombinieren sie etwa John Cages stille „Experiences No. 1“ mit Conlon Nancarrows stürmischer „Study for Player Piano No. 6“ – oder lassen Luciano Berios „Wasserklavier“-Miniatur fast nahtlos in Franz Schuberts f-Moll-Fantasie D 940 münden. Klugerweise spielen sie dieses eigentlich für Klavier zu vier Händen geschriebene Stück an zwei Flügeln – nicht etwa, weil sie einander nicht riechen könnten, sondern, wie sich im Laufe ihrer feinsinnigen Interpretation herausstellt, damit sie den Gebrauch des rechten Pedals unabhängig voneinander dosieren können.
Die beiden Wunder-Virtuosen faszinieren mit perfekter Synchronizität – fast wie Geschwister, die schon seit Jahrzehnten gemeinsam musizieren. Hinreißend, mit welch überschäumender Spiellust sie sich in John Adams’ himmlisch spannendem und höllisch schwerem Stück „Hallelujah Junction“ die Bälle zuwerfen. Und schlicht umwerfend, wie sie in den Symphonischen Tänzen op. 45 von Sergej Rachmaninow die Modernität der Komposition offenlegen, dabei die beiden Steinway-Flügel in sämtlichen Orchesterfarben schillern lassen und sich schließlich in einen regelrechten Rhythmus-Rausch steigern.
Da tobt das Publikum im Saal, und das neue Klassik-Traumpaar beantwortet die Jubelstürme mit fünf (!) Zugaben, serviert mit erfrischender Nonchalance und einer Extraportion Charme. Chapeau!
MARCO SCHMIDT