„Ich habe noch nie einen geliebten Menschen verloren“: Luna Wedler als Paula in einer Szene aus „Marianengraben“. Der Film startet am kommenden Donnerstag in unseren Kinos © Oliver Oppitz
Schon mit 18 Jahren gewann Luna Wedler für „Blue my Mind“ den Schweizer Filmpreis als beste Hauptdarstellerin. Seitdem hat die Zürcherin rund 20 weitere Hauptrollen gespielt, etwa in der Netflix-Serie „Biohackers“ oder den preisgekrönten Kinofilmen „Das schönste Mädchen der Welt“, „Was man von hier aus sehen kann“ und „Je suis Karl“. Letzterer brachte ihr eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis ein; für „Auerhaus“ und „Dem Horizont so nah“ bekam sie den Bayerischen Filmpreis. Ab kommenden Donnerstag ist die 25-Jährige an der Seite von Edgar Selge in der Bestsellerverfilmung „Marianengraben“ im Kino zu sehen.
Kannten Sie Jasmin Schreibers Roman „Marianengraben“?
Ich hatte von ihm gehört. Einige Leute aus meiner Familie und meinem Freundeskreis hatten mir erzählt, dass er sie total berührt hätte. Bei einer Romanadaption entscheide ich meistens sehr intuitiv nach einem Gespräch mit dem Regisseur oder der Regisseurin, ob ich das Buch vor den Dreharbeiten lese. Hier habe ich mich dagegen entschieden, weil ich meine Filmfigur lieber für mich selbst entdecken wollte.
Fast jede Szene spielen Sie mit Edgar Selge. Wie war Ihre Zusammenarbeit?
Eine große Ehre. Und eine große Freude. Schon beim ersten Treffen haben wir uns richtig gut verstanden. Er hat eine ganz ruhige, warme, sensible Art. Und er ist ein weiser Mensch, der eine Menge erlebt hat und interessante Geschichten erzählen kann. Allein schon durchs Zugucken habe ich viel von ihm gelernt. Der Film ist ja eine sehr emotionale Reise – und ich bin dankbar, dass ich diese Reise mit ihm machen durfte.
Konnten Sie Ihren Roadtrip chronologisch drehen?
Diesen Luxus konnten wir uns nicht leisten. Wir sind innerhalb des Drehbuchs hin und her gesprungen. Das war eine Herausforderung, weil wir uns bei jeder Szene fragen mussten: An welchem Punkt der Geschichte sind wir gerade? Wie gut verstehen wir uns jetzt schon? Das liebe ich so an diesem Drehbuch: dass zwei Fremde aufeinandertreffen, die sich anfangs nicht gut verstehen und langsam herausfinden, dass beide einen Verlust verarbeiten müssen und einander extrem gut helfen können.
Haben Sie selbst schon eine vergleichbare Verlusterfahrung gemacht?
Ich habe noch nie einen geliebten Menschen verloren. Deshalb möchte ich auch gar nicht behaupten, dass ich verstehen würde, was das bedeutet. Ich kann nur versuchen, irgendwie nachzuspüren, was da passiert. Aber ich habe mich natürlich intensiv mit Trauer beschäftigt, mit den verschiedenen Trauerphasen und der Frage, wie man mit Verlust umgehen sollte. Das ist vielleicht das Tollste an meinem Beruf: Er schafft Empathie. Er sorgt dafür, dass man mehr Verständnis für sein Gegenüber entwickelt. So unterschiedlich wir sein mögen – letztlich sind wir doch alle Menschen. In kaum einem anderen Beruf lernt man mehr über das Leben als bei der Schauspielerei.
Was haben Sie bei „Marianengraben“ gelernt?
Dass man Geduld haben und sich Zeit lassen muss, um schlimme Dinge wirklich zu verarbeiten. Dass man solche Sachen nicht verdrängen, sondern sie genau angucken soll, auch wenn das verdammt wehtut. Und dass wir den Tod nicht tabuisieren sollten. Vielleicht trägt unser Film ja dazu bei, dass wir mehr über das Thema sprechen, damit wir uns gegenseitig besser unterstützen können.
Können Sie Ihre eigenen Filme eigentlich entspannt anschauen? Oder sehen Sie da nur Ihre vermeintlichen Fehler?
Ich bin sehr perfektionistisch veranlagt und mag keine halben Sachen. Darum gebe ich auch am Set keine Ruhe, wenn ich das Gefühl habe, dass das, was ich gerade gemacht habe, noch nicht glaubwürdig oder gut genug war. Dementsprechend bin ich immer ein bisschen angespannt, wenn ich zum ersten Mal das Resultat sehe: Ich denke zu viel, gucke zu kritisch und mache mir alle möglichen Vorwürfe. Aber inzwischen habe ich gelernt, mir meine Filme ein zweites Mal anzuschauen, am besten mit Publikum – das ist immer ein besonderes Erlebnis.
Haben Sie da keine Angst vor den Reaktionen?
Ja, klar, das ist auch aufregend, wenn man weiß, jetzt kommt eine bestimmte Szene – da denkt man: „Bitte lacht!“ Oder: „Bitte weint!“ Aber wenn es so funktioniert wie erhofft, ist es toll. Letztens dachte ich sogar in einem Moment: „Oh, das hat mich jetzt doch auch berührt.“ Da war ich zum ersten Mal ein bisschen stolz. Natürlich sollte man nicht überheblich werden und meinen, man wäre der Größte. Doch man darf schon auch mal zufrieden sein mit einer Sache, die man geschafft hat. Auch wenn es bloß eine Kleinigkeit ist – wie etwa ein gelungener Kuchen! (Lacht.)