Will weiterhin einzelne Konzerte geben, aber auf Tourneen verzichten: Mireille Mathieu. © Kalaene/dpa, Michael Waha
Für ihre 2016 verstorbene Mutter sang Mireille ein Lied.
Als ein Fan Mireille Mathieu ein deutsches und ein französisches Fähnchen an den Bühnenrand bringt, freut sich die Sängerin enthusiastisch: „Vive l’Allemagne! Vive la France!“ Es lebe die deutsch-französische Freundschaft! Doch beim triumphalen Konzert im ausverkauften Deutschen Theater in München galt vor allem: Vive la Mireille! Die Legende aus Avignon verzückte ihre Fans hoffentlich nicht zum letzten Mal – auch wenn das Motto „Goodbye my Love Goodbye“ ein endgültiges „Au revoir“ befürchten lässt.
Die kleine große Mireille bot noch einmal Champagner für die Ohren. Gut zu Fuß ist sie wegen ihrer Arthrose leider nicht mehr – aber dafür umso besser bei Stimme. Dass eine Sängerin von 78 Jahren ihr Repertoire noch so makellos beherrscht, ist ein absolutes Geschenk für sie und ihre Fans. Das bekommen die meisten ihrer Altersgenossinnen nicht mehr hin. Und es hat bestimmt mit der Disziplin zu tun, die sie mit ihren 13 Geschwistern von klein auf eingeimpft bekam.
Wie die Mathieu das dramatische Ende von Édith Piafs „Hymne à l’amour“ meistert – wow, Hut ab! Oder, besser gesagt: Chapeau! Was heißt noch mal Gänsehaut auf Französisch? Ach ja, chair de poule. Nicht nur an dieser Stelle riss es die Fans von den Sitzen. Und wenn in den Reihen Platz gewesen wäre, hätten sie gekniet. Alles war vom Allerfeinsten an diesem Abend – vom bestens aufgelegten, 14-köpfigen Orchester unter Mireilles langjährigem Weggefährten Thierry Bienaimé bis zum exquisit ausgesuchten Repertoire.
Die herrliche Christian-Bruhn-Gassenhauerei von „Tarata-Ting, Tarata-Tong“ bis „An einem Sonntag in Avignon“ wurde natürlich gefeiert. Aber auch ihre Chansons begeisterten – allen voran das berührende „Maman, la plus belle du monde“, das sie für ihre 2016 verstorbene Mutter Marcelle sang. Und nun? Noch ist nicht klar, wie es hinter den Kulissen von Paris weitergeht. Große, beschwerliche Tourneen will Mireille Mathieu nicht mehr unternehmen, einzelne Konzerte soll es aber weiterhin geben. So oder so verliebten sich die Münchnerinnen und Münchner, die es sonst eher mit dem Spatzl halten, noch einmal in den Spatz von Avignon.
JÖRG HEINRICH