Innig: The Last Dinner Party wirken wie im Sofia-Coppola-Film. © Band / Instagram
Immer mal wieder wird ein Newcomer zum „heißen Scheiß“ erklärt – und bald stellt sich heraus, dass nur das Substantiv zutrifft. Doch bei der britischen Indie-Rockband The Last Dinner Party ist der Hype berechtigt: Hier stimmt wirklich alles, wie sich bei ihrem phänomenalen Konzert in der ausverkauften Tonhalle zeigte. Ihr kometenhafter Aufstieg kommt nicht von ungefähr, sondern vom überragenden Können der fünf fantastischen Musikerinnen. Nehmen wir nur die ausgebildete Jazzgitarristin Emily Roberts: Sie serviert rotzige Hardrock-Riffs ebenso souverän wie blitzsaubere Soli à la Brian May – und spielt zudem auch Querflöte und Mandoline.
Verstärkt um einen für die Tour angeheuerten Drummer, präsentiert das Quintett neben drei unveröffentlichten Liedern und Chris Isaaks „Wicked Game“ vor allem die Songs seines fabelhaften Debütalbums „Prelude to Ecstasy“: keine Hitfabrik-Produkte aus der Retorte, sondern exquisite, handgefertigte, komplexe Mini-Dramen in der Tradition von Queen, Abba, Led Zeppelin oder den Beatles. Da gibt es überraschende Stil-, Harmonie- und Taktwechsel ebenso wie heftige Ausbrüche oder hauchzarte A-cappella-Passagen.
Keyboarderin Aurora Nishevci singt „Gjuha“ („Zunge“) auf Albanisch, und die energiegeladene, expressive Frontfrau Abigail Morris agiert mit glasklarer, kräftiger Stimme und ganzem Körpereinsatz. Wie sie in einer ihrer charmanten Ansagen augenzwinkernd andeutet, sieht die Band ihre Mission in der „systematischen Zerstörung traditioneller Familienwerte“. Tatsächlich geht es in mal poetischen, mal provokanten Texten etwa um Schuldgefühle von Katholikinnen, männlich geprägte Machtstrukturen oder Frauen, die beim Sex die Initiative ergreifen.
Live rundet sich die Chose zu einem opulenten Gesamtkunstwerk: Jeder Song wird sorgfältig inszeniert; das stilvolle Setting mit sechs antikisierenden Säulen und die extravaganten Vintage-Outfits könnten aus einem Sofia-Coppola-Film stammen. The Last Dinner Party machen ihrem Namen alle Ehre – sie wissen, wie man feiert, als gäbe es kein Morgen. Dabei lässt ihr begeisternder Auftritt keinen Zweifel daran, dass es für sie auch noch ein Übermorgen gibt: Dieser Band gehört die Zukunft.
MARCO SCHMIDT