Eine große Nachtmusik

von Redaktion

Simon Rattle und das BR-Symphonieorchester mit Gustav Mahlers Siebter

Die Theatralik der Mahler-Symphonie wird von Simon Rattle bedient, und doch schmeckt er die Zutaten fürs Mammutwerk immer wieder fein ab. © Astrid Ackermann

Sir Simon Rattle weiß, was er will, und sein Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gibt alles. Kein Wunder also, dass in der vollbesetzten Isarphilharmonie die Begeisterung der Zuhörerinnen und Zuhörer hochkocht. Mahlers Siebte, dieses 80-minütige Mammutwerk, hat sich der Chefdirigent für diesen Abend ausgesucht und dirigiert es auswendig. Doch zuvor präsentierte Rattle dem Publikum ein Geschenk: eines, das sein britischer Landsmann, Komponist Harrison Birtwistle, ihm 2018 überreichte: „Donum Simoni MMXVIII“.

Die Fanfare für Bläser und Schlagwerk ist fast vorbei, ehe sie begonnen hat. Aber trotz aller Kürze hat Birtwistle ein einprägsames Werk geschaffen, in dem sich die Tuba imponierend hervortut. Unterstützt wird sie von dunklen Posaunen und hell darüber ertönenden Trompeten und Hörnern. Das Holz meldet sich zuweilen grell oder auch ganz zart, während das Schlagwerk – unter anderem besetzt mit Holzblöcken, Tom-Toms und sogar Kuhglocken – für ordentlichen Tumult sorgt. Nicht nur Originalität blitzt aus dieser Fanfare, sondern auch eine gute Portion Witz. Pardon: britischer Humor…

Die Kuhglocken kommen auch bei Mahler zum Einsatz – und natürlich noch viel mehr. Da springt sofort das Tenorhorn heraus aus dem tiefen Grummeln der Streicher und dem dunklen Grund von Tuba und Posaunen und meldet sich immer wieder im ausgedehnten, vom Marschrhythmus geprägten Kopfsatz zu Wort. Auch die Hörner sind stark gefragt in diesem Werk, und sie erfüllen ihre Aufgabe, ob im Solo, zu zweit oder zu viert, souverän und vor allem klangschön. Besonders eindrucksvoll gelingt es ihnen in der ersten Nachtmusik.

Rattle bedient durchaus die Theatralik des Geschehens, kalkuliert die Spannung genau und setzt immer wieder einzelne Instrumentengruppen ins Licht: die vorzüglichen Holzbläser, die prägnanten Kontrabässe oder die zuweilen fast mystisch tönenden Streicher. Im spukhaften Scherzo wecken Dirigent und Orchester immer neue Schattengestalten und lassen wehmütig noch ein bisschen Kirmes durchscheinen.

Auf die mal samtig, mal aufgekratzt wirkende Nachtmusik II folgt das – nicht nur von Theodor Adorno missbilligte – Finale mit seinem kracherten Dur-Dröhnen. Rattle geht ihm nicht aus dem Weg. Natürlich bedient er das plakative Getümmel. Aber wie er es dynamisch immer wieder fein abschmeckt, das verrät seine Könnerschaft und lässt das Orchester im pompösen Getöse bestens dastehen – ob man dieses nun dialektisch hört oder nicht.
GABRIELE LUSTER

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