Aus dem leicht peinlichen Balzritual des jugendlichen Barkeepers wird in „Mamma Mia!“ flugs eine mitreißende Tanzszene aller Männer. © Brinkhoff-Moegenburg
Traumhochzeit auf einer Insel? Sophie (Ellie Kingdon) lädt dazu ihre drei potenziellen Väter ein. © Brinkhoff-Moegenburg
Ein Vierteljahrhundert ist es her. Gerhard Schröder war Bundeskanzler, Bill Clinton US-Präsident und Boris Jelzin Präsident der Russischen Föderation, als am 6. April 1999 in London das Musical „Mamma Mia!“ seine Uraufführung erlebte und ein weltweites AbbaRevival einläutete. Denn die schwungvoll erzählte Geschichte von Catherine Johnson über eine junge Braut, die ohne das Wissen der Mutter ihre drei potenziellen Väter zur geplanten Hochzeit einlädt, wurde flankiert von den größten Hits der schwedischen Popband Abba. Deren Mitglieder Benny Andersson und Björn Ulvaeus, die nach dem Ende von Abba zusammen bereits das Musical „Chess“ komponierten, recycelten in „Mamma Mia!“ clever ihre alten Gassenhauer von „Dancing Queen“ bis „The Winner takes it all“. Mehr als 60 Millionen Zuschauer in über 440 Städten sahen das quietschbunte Spektakel bis heute.
Viel Zeit ist inzwischen vergangen. Doch sieht man sich die ausverkaufte, frenetisch umjubelte Premiere der auch schon wieder seit fünf Jahren durch die Welt tingelnden Musical-Neuauflage im Deutschen Theater in München an, ist „Mamma Mia!“ nach wie vor ein Riesending. An der genretypisch harmlosen Mär von der Hochzeit auf einer griechischen Insel kann es kaum liegen. Müssen es also doch die Abba-Songs sein, an denen man sich auch nach dem gefühlt 1000. „Super Trouper“ noch nicht sattgehört hat, ehe am Ende alle selig lächelnd aus dem Konfettiregen hinaus in die nasskalte Münchner Novembernacht taumeln.
Tatsächlich ist den Abba-Hits nahezu unbemerkt das gelungen, was man sonst nur den Stones oder Beatles zugeschrieben hatte – die restlos generationenübergreifende Völkerverständigung via Musik. Wobei die Titel sich heute erstaunlich zeitlos anhören und es gar nicht nötig haben, auf irgendeiner Retro-Welle mitzuschwimmen. „Gimme! Gimme! Gimme!“ oder „I have a Dream“ sind längst moderne Klassiker der Musikhistorie geworden.
Das vorwiegend britische Ensemble spricht natürlich auch in München Englisch – die Songs sind es ja ohnehin. Die Texte werden auf an der rechten und linken Seite neben der Bühne angebrachten Tafeln ins Deutsche übersetzt. Die Handlung birgt genügend Humor für selbstironische Interpretationen aller Künstler. Ausnahmslos jede Szene wird mit begeistertem Zwischenapplaus belohnt. Da gibt es jede Menge originelle Momente, in denen unverwüstliche Ohrwürmer wie „Take a Chance on me“ oder „Does your Mother know“ witzig in Szene gesetzt werden. Wenn Donnas gereifte Freundin Rosie (Nicky Swift) dem ansonsten andauernd Sprüche klopfenden Reiseschriftsteller Bill Austin (Bob Harms) über ein paar Stuhlreihen nachsetzt, wird das den gesamten Song über konsequent durchgehalten. Und aus dem leicht peinlichen Balzritual des jugendlichen Barkeepers wird flugs eine mitreißende Tanzszene aller Männer.
Im Vergleich zur Urfassung vom Londoner West End von 1999 sind einige – im Rahmen der starren Musical-Regeln mögliche – Modernisierungen zu erkennen: Auf digitale Medien wird beispielsweise ebenso gesetzt wie auf eine erkennbare Diversität des Teams. Die Bühnenbauten der verschiedenen Orte auf einer griechischen Insel wirken kitschfreier und weniger aufwendig als einst. Brautkleid und Schleier sehen anders aus, und in manchen Szenen wie Sophies Albtraum vor dem Hochzeitstag zu „Under Attack“ hat man dank Schwarzlicht, neongelben Schwimmwesten, Taucherbrillen und pinkfarbenen Gummihandschuhen eine neue, frechere und zeitgemäße Optik gefunden.
ULRIKE FRICK
Weitere Vorstellungen
bis 24. November;
Telefon 089/55 234 444.