Enger konnte die Freundschaft nicht sein, doch dann trennten sich die Wege des heterosexuellen Ich-Erzählers, eines berühmten Kameramanns, und des schwulen Frank, eines anfangs verkannten Malers. Erst als Frank unheilbar an Aids erkrankt, wacht sein platonischer Freund am Krankenbett. Eine komplexe Beziehung zwischen zwei Pandemien beschreibt Alain Claude Sulzer in „Fast wie ein Bruder“. Und spiegelt diese in den jeweiligen Epochen, schildert dabei auch eine Zeit, als für Roma das Z-Wort gebräuchlich war – was Sulzer, das wirft man ihm vor, auch häufig einsetzt. Ein novellenhaftes Ereignis ändert alles: Der Ich-Erzähler lässt Franks hinterlassene Bilder in sein südfranzösisches Haus bringen. Die Werke werden geraubt – und tauchen in einer Berliner Galerie auf. Erwachsenwerden, Selbstfindung, gesellschaftliche Anfeindungen, politisches Zeitporträt, Künstlerroman: Sulzer verschränkt dies alles sehr kunstvoll, literarisch enorm dicht und ohne erzählerischen Überdruck. Andere brauchen dafür 500 Seiten.
TH
Alain Claude Sulzer:
„Fast wie ein Bruder“. Galiani, 186 Seiten; 24 Euro.
★★★★★ Hervorragend