Dem Teufelskreis aus Armut und Gewalt wollen diese kleinen Mädchen in Lucía G. Romeros Film „Cura Sana“ entkommen. Und ein anderes Leben als ihre Eltern führen. © Filmschoolfest Munich
Sorgen für frischen Wind: das neue Leitungsduo Julia Weigl und Christoph Gröner. © Bojan Ritan/Filmfest München
Schön schräg: Szene aus Romina Küpers „This is not a Character, this is Betrayal“. © Filmschoolfest Munich
Ein bisschen mehr als Freundschaft scheint sich in „Polaroid“ von Irene Corts Curto zu entwickeln. © Filmschoolfest Munich
Wie heißt’s so schön: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Die jungen Menschen, deren Kurzfilme auf dem Filmschoolfest gezeigt werden, sind freilich nicht die Ersten, die vom Suchen nach dem eigenen Platz in der Welt erzählen, von Liebe, Heimat(-losigkeit), Eltern(-schaft) oder Vergänglichkeit. Aber für sie ist es das erste Mal. Und das gibt den Werken oft eine Frische und Dringlichkeit, die magisch ist. Und falls doch mal etwas eher unreif oder epigonal wirken sollte: Dank des Programms aus Kurzfilmblöcken folgt sogleich die Begegnung mit einem neuen Film, einer neuen Welt und Persönlichkeit. Zudem ist das Festival drumherum ein inspirierender Ort der Begegnung mit anderen (internationalen) Studierenden.
All das leistet das Filmschoolfest seit Jahrzehnten zuverlässig. Doch dümpelte es zuletzt auch etwas isoliert dahin. Nun scheint dem Festival selbst ein Neuanfang vergönnt. Als neues Leitungsduo des „großen“ Filmfests München sind Christoph Gröner und Julia Weigl auch für das Festival der Filmhochschulen zuständig. Und behandeln es weniger stiefmütterlich als ihre Vorgängerin. Wie beim Filmfest ist Gröner und Weigls Kurs auch hier: nicht krampfhaft umkrempeln; Bewährtes fortsetzen. Aber die Öffnung suchen, Verkrustungen aufbrechen. Zukunftsfähigerem eine Chance geben, zur Diskussion stellen. Immer mit der Bereitschaft zu lernen, nachzubessern.
Am sichtbarsten nach außen wird das durch den Zweitnamen, den das Festival dieses Jahr trägt: „Festival of Future Storytellers“. Hinter diesem Versprechen eines Fests der zukünftigen Geschichtenerzähler steckt mehr als ein Wort-Wechsel. Zwar sollen die Einreichungen durch internationale Filmhochschulen die Basis bleiben. Doch will man ab 2025 auch Zugang schaffen für spannende junge Stimmen, die nicht den akademischen Weg auf die Leinwand einschlagen. Eine höchst begrüßenswerte Perspektive!
Der größte Wunsch der Studierenden an ein Festival heute, sagt Gröner, sei Vernetzung. Damit es eben nicht beim Debüt bleibt, sondern auch der oft schwierigere nächste Schritt gelingt zur Professionalisierung. Dem dienen kleine wie große Veränderungen. So werden alle Filme wieder zweimal gezeigt, um der Mundpropaganda mehr Wirkungsraum zu bieten. Daher aber auch der neue DACH-Wettbewerb für Filme aus Deutschland, Österreich, Schweiz. Der soll die Branche anlocken auf der Suche nach Talenten für den hiesigen Sprachraum.
Eine deutliche Aufwertung erfährt das Programm jenseits der Filmvorführungen – großteils ebenso fürs Münchner Publikum zugänglich. Zwei Höhepunkte unter den zahlreichen Talks: Hans Steinbichler wird in einer Masterclass als Premiere seinen neuen Kurzfilm „Pasolini“ mit Clemens Schick vorstellen. (16. November, 17 Uhr.) Und die selbsternannte „Geschichtenerzählerin aus der Zukunft“, Karen Palmer, präsentiert „Hack the Future“ (21./22. November) – ein zweitägiges, interdisziplinäres Lab als Fortsetzung ihrer weltweit aufsehenerregenden Arbeit Consentus Gentium (Filmfest 2023). Das Filmschoolfest ist der einzige Europa-Stützpunkt des Projekts, zwei weitere Hubs sind in Afrika und Asien. Hier bahnt sich schon an: Längerfristig spitzt man auf den verstärkten Brückenschlag zum Filmfest München.
Weigl sieht das „Festival of Future Storytellers“ als Experimentierfeld, auf dem frisch und frei sondiert werden kann, wohin später die arriviertere Filmkunst folgt. In unseren oft so apokalyptisch wirkenden Zeiten ist dieser zuversichtliche Blick nach vorne durchaus auch politisch. Hoffnung ist Widerstand. Es gilt: den Optimismus zelebrieren als Zeichen. Auch wenn’s nur ein Filmfest ist. Aber irgendwo muss man ja anfangen.
THOMAS WILLMANN
Filmschoolfest Munich
von heute bis 23. November
in der HFF München; Infos unter filmschoolfest-munich.de.