Todessturz eines Überfliegers

von Redaktion

Der Unfall des russischen Tänzers Vladimir Shklyarov sorgt für Spekulationen

Ein Ausnahmetalent: Der russische Tänzer Vladimir Shklyarov kam mit 39 Jahren ums Leben. © Rainer Jensen/dpa

Ein Sturz vom Balkon, in Russland, und dann auch noch ein Tänzer, mit einem Körper, der doch alle Muskeln, alle Reflexe steuern kann? Nach dem Tod von Vladimir Shklyarov nach einem Sturz vom Balkon seiner Wohnung im fünften Stock eines Hochhauses in St. Petersburg gibt es Spekulationen, ob es sich tatsächlich um einen tragischen Unfall handelt. Es wäre nicht das erste Mal, dass Prominente auf diese Weise ums Leben kommen (siehe Kasten). Laut „SZ“ hatte sich Shklyarov zu Beginn der Invasion in die Ukraine öffentlich gegen den Krieg positioniert – was im Russland Wladimir Putins als riskant gilt. Ein Motiv, ihn umzubringen?

Die Ballettwelt trauert um den Star. Der „Publikumsliebling“ sei „auf tragische Weise ums Leben gekommen“, schreibt das Mariinski-Theater, an dem der 39-Jährige engagiert war. Sein Tod sei ein „großer Verlust nicht nur für das Theaterpersonal, sondern für die gesamte heutige Ballettkunst“. Geboren 1985 im damaligen Leningrad, absolvierte Shklyarov die renommierte Waganowa-Ballettakademie. Im Jahr 2003 ans berühmte Mariinski-Ballett seiner Heimatstadt engagiert, schaffte er bald den Aufstieg zum Ersten Solisten. Shklyarov wurde bekannt für seine virtuose Technik und ausdrucksstarke Interpretation klassischer Rollen wie Prinz Siegfried in „Schwanensee“ und Albrecht in „Giselle“.

Im Jahr 2016 nahm er – zusammen mit seiner Frau Maria Shirinkina – eine Einladung des Bayerischen Staatsballettchefs Igor Zelensky für ein Jahresengagement an der Münchner Staatsoper an. Auf ihrem Programm etwa Yuri Grigorowitschs „Spartakus“, Crankos „Onegin“ und „Diamonds“ aus Balanchines „Juwels“. Danach kehrte das Paar nach St. Petersburg zurück, war aber immer wieder zu Gast in München.

Und jetzt das jähe Ende. Eine junge Frau aus Shklyarovs Freundeskreis, die Tänzerin Irina Bartnowskaya, habe – so heißt es – die Polizei benachrichtigt. Shklyarov habe sie zuvor um einen Besuch gebeten. Angekommen an seinem Haus, habe sie seinen leblosen Körper entdeckt.

Bartnowskaya wandte sich unterdessen gegen „unnötige Spekulationen in den Medien“. Sie wolle Klarheit über die tragischen Umstände des Todes ihres Kollegen schaffen, schreibt sie bei Telegram: „Er befand sich zu Hause und bereitete sich auf eine Fußoperation vor, weshalb er Medikamente nahm. Dabei ging er – wohl um Luft zu schnappen – auf den sehr schmalen Balkon und verlor das Gleichgewicht.“

Das Bayerische Staatsballett geht von einem Unfall aus

Von einem Unfall spricht auch Annette Baumann, Pressechefin des Bayerischen Staatsballetts, gegenüber unserer Zeitung: „Er hat wahrscheinlich auf seinem Balkon geraucht. Es könnte also sein, dass seine Balkontüre zuschlug, er nicht in die Wohnung zurückkonnte und schließlich versuchte, auf den Balkon des Nachbarn zu klettern.“ Wegen einer Verletzung habe er auch Schmerzmittel genommen „und dadurch wohl kein Gefühl mehr für die Balance“ gehabt.

Laut einem Bericht der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti haben die Behörden Ermittlungen zum Tod von Shklyarov eingeleitet. „Als vorläufige Todesursache gilt ein Unfall“, zitierte RIA Novosti das Büro des Ermittlungskomitees in St. Petersburg.
M. GRADINGER/R. OGIERMANN

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